Zwei Wochen vor der Stichwahl in Afghanistan haben die Taliban zum Boykott der Abstimmung aufgerufen und mit Gewalt gedroht. In einer am Samstag auf einer Website verbreiteten Erklärung wurden alle Afghanen aufgefordert, sich nicht an dem „US-geführten“ Wahlgang zu beteiligen. Jeder, der sich an ihm beteilige, tue dies auf eigene Gefahr. Mit Blick auf die Tausenden Wahllokale drohten die Extremisten mit „Einsätzen aller Mudschahedin in den Zentren des Feindes“. Sollte jemand bei der Abstimmung verletzt werden, sei er angesichts der deutlichen Warnungen der Mudschaheddin dafür „selbst verantwortlich“. (weiter auf Zeit.de)
Hat eigentlich jemand schon irgendwo gelesen, was bei dieser Stichwahl anders gemacht werden soll als bei dem vorherigen Wahlgang? Wie wird verhindert, dass wieder gefälschte Wahlzettel in den Umlauf gelangen? Können dieses mal alle Wahllokale von ANA und ANP gesichert werden? Ändert sich das ISAF-Konzept für Sicherheitsunterstützung im Hintergrund? Werden die Stimmen nach dem gleichen Sytem ausgezählt wie vorher? Was wird unternommen, um die Stichwahl bei denen zu kommunizieren, die nicht in einem Ballungsraum leben und lesen können oder keine anderen Kommunikationsmittel besitzen?
Die TAZ meldet heute: Noch viel Raum für Manipulationen

Wahllokal irgendwo in Afghanistan
Die beiden Wahlkommissionen agieren weiterhin mit unterschiedlichen Zahlen. Holt Karsai nur 15.000 Stimmen durch Einsprüche heraus, würde er doch noch gewinnen. Das Wahlwirrwarr in Kabul geht weiter. Nur zwei Tage nachdem am Dienstag die Unabhängige Wahlkommission (IEC) des Landes nach geschlagenen zwei Monaten endlich ein Endergebnis verkündet hat, stellte sich nun heraus, dass es unterschiedliche Varianten dieses Ergebnisses gibt.
Die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok hatte schon am Montag auf der Grundlage von Angaben der Wahlbeschwerdekommission (ECC) berichtet, dass Karsai mit genau 2.097.454 Stimmen – weitere 954.526 wurden wegen Fälschungen gestrichen, das ist fast ein Drittel der von der IEC ursprünglich für ihn gewerteten -, also 48,29 Prozent gewonnen habe. Die IEC hatte hingegen 49,67 Prozent für ihn angegeben, also fast anderthalb Prozentpunkte mehr. (mehr dazu hier)
Und die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok berichtet, dass die Unabhängige Wahlkommission IEC nicht in der Lage sei, für die Stichwahl am 7. November n eue Wahlzettel auszugeben:
Kabul: Afghanistan’s Independent Election Commission (IEC) has said it could not issue new cards to voters for the 7 November runoff polls.
The IEC ordered a runoff for the disputed presidential election after a fraud investigation decreased incumbent Hamed Karzai’s votes below 50 per cent of the total by invalidating ballots from 210 polling stations. Many voters, who did not cast their votes in the first round on 20 August, say they are eager to take part in the second round, but can not do so as the election officials are not going to issue them fresh cards. Ahmad Khan, a resident of Bagrami District of Kabul, told Pajhwok he did not participate in the election. He went to the election office to get card, but was told that the election commission was not issuing fresh cards for the 7 November election.
Lal Agha, resident of Joi Haft area of Jalalabad in eastern Nangarhar Province, also complained about non-issuance of card. The IEC should open a small office in each province to issue cards to those who want to participate in the process this time, said Agha, who missed the previous election. However, the IEC officials said they could not issue fresh cards for the runoff process.A spokesman for the IEC, Nur Mohammad [Nur], told Pajhwok Afghan News the cards could not be issued due to shortage of time.Officials of the election commission said they had issued 17 million cards for the previous presidential and provincial council elections across the country. It merits a mention here that people less than 18 years of age are not eligible to participate in the process.

KABUL - 5. Oct. 2009 - Two EU Election Observation mission officials exchange view as the ballot boxes are set for a process of recounting 358 ballot boxes here in Kabul. The Independent Election Commission (IEC) and Electoral Complaints Commission (ECC) officials on Monday started the recount of the suspicious boxes. PAJHWOK/Lataria Farshad
Tatsächlich ist die Gefahr groß, dass die Stichwahl in ein Desaster mündet. Die Wahl sei eine „ungeheure Herausforderung“, meint UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Nicht nur Taliban-Terror und der nahende Winter gefährden den Urnengang. Auch ist unklar, wie man diesmal Wahlbetrug wirksam unterbinden kann. Ban Ki Moon versprach, man werde alles tun, um erneuten massiven Schwindel zu verhindern. Angeblich wurden 200 von 380 Wahlkoordinatoren wegen Betrugsverdachts gefeuert. Die EU kündigte allerdings an, sie werde diesmal noch weniger Wahlbeoachter schicken als am 20. August. Es sei unmöglich, bis zum 7. November eine große Zahl Wahlbeobachter zu mobilisieren. Zudem sei die Sicherheitslage in einigen Landesteilen „außerordentlich schwierig“. Ein neues Wahldebakel würde das Vertrauen der Afghanen in die Demokratie weiter untergraben und den Westen vollends blamieren. (mehr auf Tagesspiegel.de)
In Afghanistan beißt sich die Katze wirklich ständig in
den Schwanz.
Letzthin dachte ich noch, daß es bei der Stichwahl nicht mehr als 30 % sein werden, die wählen gehen werden.
Aber , wenn man nun davon ausgehen muß, daß die Taliban jeden , – unter Androhung des Ermordens, – davon abhalten wollen wählen zu gehen, dann wird es unter der 20%-Marke liegen.
Da kann man verstehen, daß die Menschen lieber ihr Leben behalten wollen, als ihr Kreuzchen abzugeben.,
Bei diesen verbrecherischen, hinterhältigen Mörderbanden,
weiß man doch nie aus welchen Löchern die kommen. Also, alle Wahllokale schützen, wird wohl ein Ding der Unmöglichkeit sein.
Aber die Sicherheitskräfte der ISAF, und anderer Nationen, werden sich wieder in Gefahr bringen (müssen), um diesem Land , irgendwann mal, zu einer Demokratie zu verhelfen.
Trotzdem bleibt die Frage weiter im Raum stehen :
Wann können die Afghanen sich eigentlich mal selber
helfen ??
Gisela L.
Passt dieses heillose Durcheinander nicht irgendwie zu diesem „Durcheinander innerhalb des NATO-Bündnisses und den USA“ und dem „Durcheinander in Afghanistan“ überhaupt…
Ist auf beiden Seiten tatsächlich ein wirklicher Wille, die Dinge anzupacken und zu verändern vorhanden – wird nicht auf beiden Seiten immer noch auf halber Flamme gekocht?
Diese Stichwahl wird wohl nicht „demokratischer“ ablaufen, als die Wahl vorher. Warum hat man nicht nach demokratischer Art eine „Koalition“ empfohlen? Klar, der Westen will und sollte sich nach Möglichkeit aus der Regierungsbildung heraushalten und die Dinge die Afghanen machen lassen, aber so wie Afghanistan auch in anderen Bereichen noch nach Unterstützung ruft und wohl auch benötigt, sollten sie auch hier Lehre annehmen wollen und müssen.
Aber es geht ja nicht um das Land Afghanistan und deren Menschen – es geht, wie überall auf der Welt, nur und ausschließlich um persönliches Machtgehabe von Einzelnen und/oder Interessens- und Stammesgruppen, und viel zu viele wollen am Alten festhalten.
Der afghanischen Regierung, den „Stammesfürsten“ und „Provinzhäuptlingen“, aber auch dem „einfachen Volk“ muss klar und deutlich ein „Entweder – oder“ und ein „bis hierin und nicht weiter“ – also eine Exit-Strategie – vor Augen geführt werden: Ihr hattet und habt (noch) die Chance, in eine bessere Zukunft zu gehen, die gibt es nicht umsonst, die müsst i h r euch erabeiten und erkämpfen. Und das hätte man bereits 2002 fordern müssen.
Dazu gehört auch: Jeder junge gesunde afghanische Mann muss sich in den Dienst des Vaterlandes stellen und entweder als Polizist oder als Soldat für die Sicherheit seiner Familien kämpfen – schließlich erwarten sie das auch von den Soldaten des Westens – aber dem Grunde nach ist es „ihr Bürgerkrieg“! Und wenn diese Bereitschaft nicht da ist, dann haben alle Soldaten des Bündnisses nichts mehr dort unten zu suchen. Nur die Hand aufhalten und die anderen „meinen Kampf“ kämpfen zu lassen ist schlicht und einfach gesagt: Feige!
In jeder Kultur ist ein „feiger Mann“ eine Schande in der Gesellschaft, auch oder gerade im Islam!
Großbritannien stockt sein AFG-Kontingent um 500 Soldaten auf, hat aber zur Bedingung gemacht, dass die afghanische Armee die Ausbildung ihrer Soldaten beschleunigt und die Ausrüstung wesentlich verbessert.
Es kann nicht sein, dass der Westen Gelder für Ausbildung und Ausrüstung zur Verfügung stellt und dieses dann in dunklen Kanälen der Kabuler Regierung oder sonstwo versickert. Auch da muss auf politischer Ebene Tacheles geredet werden.
Ich denke auch, dass man den Afghanen deutlich machen muss, dass es kurz vor zwölf ist – jetzt oder nie! Wie heißt das Zauberwort: Hilfe zur Selbsthilfe mit Betonung auf Selbsthilfe!