Zur Rechtssicherheit der Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz hat sich nun der Abteilungsleiter Recht im Verteidigungsministerium, Dieter Weingärtner, in der Zeitschrift Kompass geäußert:
Dr. Dieter Weingärtner:
„Die Situation in Afghanistan und mit ihr das angenommene „Konfliktszenario“ einer Stabilisierungsoperation haben sich in den vergangenen Jahren sicherlich verändert. Von den Rechtsgrundlagen her sind die Befugnisse von ISAF bis heute aber praktisch unverändert geblieben. Nach wie vor ermächtigt eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu allen zur Erfüllung des Mandats notwendigen Maßnahmen („all necessary measures“). Der geltende Bundestagsbeschluss erlaubt wie derjenige aus dem Jahr 2001 „alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt“, um den Auftrag – Unterstützung Afghanistans bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit – durchzusetzen. Welche konkreten Mittel zur Auftragserfüllung notwendig sind, orientiert sich nicht zuletzt an den tatsächlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Einsatz stattfindet. Die Sicherheitslage im Einsatzgebiet der Bundeswehr hat sich in letzter Zeit verschlechtert. In einem gefährlicher gewordenen Umfeld ist ein robusteres Vorgehen angemessen. Die mandatierten Befugnisse, die sich in den Einsatzregeln (Rules of Engagement, RoE) widerspiegeln, haben sich jedoch nicht geändert.“
Da könnte ich schon wieder Plaque kriegen.
Juristische Sesselfurzerei vom feinsten ! 😦
„Die mandatierten Befugnisse, die sich in den Einsatzregeln (Rules of Engagement, RoE) widerspiegeln, haben sich jedoch nicht geändert.“
Richtig, bezogen auf die ISAF-Regeln unter Beachtung der Änderungen durch McChrystal. 😉
Das die nationalen, und für unsere Soldaten verbindlichen, deutschen RoE Anfangs für einen reinen Blauhelmeinsatz ausgelegt waren und erst Mitte letzten Jahres unter großen Geburtswehen an die Realitäten angepasst wurden, unterschlägt dieser „Abteilungsleiter Recht im BMVG“. 😦
Und meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist es die verdamte Pflicht und Schuldigkeit des Dienstherren das er die rechtlichen Rahmenbedingungen unter denen ein Einsatz stattfindet auch definiert, insofern ist es eben nicht die Aufgabe der Gerichte einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt festzustellen, sondern hier ist die Politik gefordert. 🙂
Wer solche „Freunde“ hat braucht eigentlich keinen Feind. 🙂
Mit dem Kommentar von „StFwdR“ ist inhaltlich zu dem Interview schon Vieles gesagt worden. Ein paar Ergänzungen noch dazu:
Die ganze Dramatik der Aussage offenbart sich im letzen Absatz:
„Juristisch von Bedeutung ist die Frage, ob ein nicht internationaler bewaffneter Konflikt vorliegt, vor allem im Hinblick auf das bei Verstößen anwendbare Regelwerk.
Im bewaffneten Konflikt gilt das Völkerstrafgesetzbuch,
ansonsten das allgemeine Strafrecht. Dabei handelt
es sich jedoch um eine Frage, die nicht das Bundesministerium der Verteidigung, sondern die
Strafverfolgungsorgane zu beurteilen haben.“
So einfach ist das also für die Herren Juristen im BMVg. Obwohl er anerkennt, dass die ISAF_Mission von Anfang an ein Kapitel VII Einsatz, findet er es in Ordnung, dass aufgrund von einschränkenden ROE die Soldaten in AFG sich viele Jahre hinweg nur sehr begrenzt selbst verteidigen durften. Sie mussten warten bis sie angegriffen wurden und mussten die Waffen wieder weglegen, wenn der Taliban wieder in sein Dorf ging und Feierabend hatte.
Selbst jetzt, wo aufgrund der Regierungserklärung von Aussenminister Westerwelle die Regierung von einem Bürgerkrieg in AFG ausgeht, tut der Jurist im BMVg so, als würde es ihn nichts angehen. Dabei ist es die alles entscheidene Frage, ob das zivile Völkerrecht oder das Kriegsvölkerrecht für die Soldaten in AFG angewandt wird.
Und in dieser alles entscheidenen Frage, lässt das BMVg, und damit der auftraggebende Dienstherr, den Soldaten an der Front mit der Rechtsunsicherheit alleine.
Das ist ungefähr so, als wenn ein Notarzt zum verunfallten Patienten gerufen wird und hinterher wird entschieden ob der Arzt z.b. einen Luftröhrenschnitt machen durfte oder ob er wegen Körperverletzung verklagt werden kann.
Solche Grundsatzentscheidungen sollen bitte vorher geklärt werden, ansonsten müssten die Soldaten in der Sprache des Juristen den Patienten AFG verbluten lassen und hinterher wird geklärt, ob sie ihn nicht doch retten hätten sollen !
Juristen -> Volker Pispers zu Wirtschaftsweisen 😉
Wenn Juristen sich nicht klar ausdrücken können oder wollen, so schaffen sie unbestimmte Rechtsbegriffe.
Der Streit um die Auslegung dieser ist nicht nur Grundlage der Ausbildung angehender Juristen, sondern auch wesentliche Ertragsgrundlage ausgebildeter Juristen.
😉
Ich muss Ihnen hier voll zustimmen!
Es kann mir niemand erklären, dass es dem Gesetzgeber nicht möglich sei, die Rechtslage klar zu bestimmen, bevor die Soldaten vor Gericht stehen (also „ex ante“).
Sollte dies dennoch der Fall sein, würde für Deutschland stets ein Gericht feststellen müssen, ob ein bewaffneter Konflikt vorliegt – und zwar erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und Soldaten angeklagt sind, weil sie militärisch und nicht bloß polizeilich gehandelt haben.
Aber wenn ich mich recht erinnere, wird weder über den Spannungsfall noch über den Verteidigungsfall von Gerichten entschieden…
Zitat:
“Juristisch von Bedeutung ist die Frage, ob ein nicht internationaler bewaffneter Konflikt vorliegt, vor allem im Hinblick auf das bei Verstößen anwendbare Regelwerk.
Im bewaffneten Konflikt gilt das Völkerstrafgesetzbuch,
ansonsten das allgemeine Strafrecht. Dabei handelt
es sich jedoch um eine Frage, die nicht das Bundesministerium der Verteidigung, sondern die
Strafverfolgungsorgane zu beurteilen haben.” Zitatende
Unglaublich!
Als Konsequenz müssten die deutschen ROE – zur Absicherun der Soldaten – immer vom juristischen „worst case“ ausgehen, also der Anwendung des zivilen StGB. Dies hätte – wenn man es zu Ende denkt – zur Folge, dass die Soldaten solange durch die Beschränkung auf Notwehr und Nothilfe geknebelt wären, bis sich ein Soldat „opfert“ und angesichts der objektiven Lage militärisch im Sinne des humanitären Völkerrechts handelt.
An diesem Versuchskaninchen darf dann endlich die Rechtslage durch die justiz festgestellt werden.
In diesem Fall heißt das Karnickel wohl Oberst Klein.
Letztlich ist diese Entwicklung die Folge von politischem Drückebergertum. Spätestens seit dem „Blauhelm Urteil“ drückt sich unsere politische Klasse um alle nennenswereten sicheritspolitioschen Entscheidungen und versteckt sich hinter der Justiz.
Wenn ich die Debatte um das letzte Mandat richtig verstanden habe, konnte sich KTzG, mit Blick auf SPD und Grüne, nicht damit durchsetzen, klare Aussagen zur Rechtslage im Mandat zu fixieren.
Und offenbar war der Regierungskoalition die Teilung der Verantwortung mit der Opposition wichtiger, als eine klare Linie.
PS
@StFwdR
Als Jurist im Dienste solcher Politiker würde ich allerdings auch eine verswchwurbelte Absicherungsstrategie verfolgen. Denn warum sollte ich für diejenigen, die sich vor der Verantwortung drücken den Kopf hinhalten?
PPS
Auch die neuen Taschenkarten enthalten, soweit mir der Text durch die Presse bekannt ist, solche „Verschwurbelungen“. Die reine Anwendung des HVR wäre einfacher zu formulieren.
@Thelamon
Das sehe ich mit Verlaub aber grundsätzlich anders!
DAS sind die „Fachbeamten“ des Ministeriums über die sich der Minister nicht so ohne weiteres hinwegsetzen kann. 😉
Leider ist er nicht der einzige von der Sorte im Ministerium.
Und die Festestellung um welche Art von Konflikt es sich handelt trifft in meinen Augen der Dienstherr indem er festlegt unter welchen Rahmenbedingungen der Einsatz erfolgt.
Im Prinzip hat er das auch im Mandat geregelt, ohne es jedoch expliziert auszuweisen. Die Befugnisse sind vom ersten Mandat an nach Kap. VII der UN-Charta war einen bewaffneten Konflikt impliziert.
Lediglich dem Verein der klaren Aussprache sind die Burschen dann nicht beigetreten denn das wäre wiederum pi 😉
Insofern ist es wenn auch verschwurbelt eigentlich geregelt.
Passend zum Thema gefunden bei Captains Journal
http://www.captainsjournal.com/2010/02/24/lawyers-in-the-battle-space/
Jede Armee der Welt hat einen inneren Geist, eine Leitlinie die sich wie ein roter Faden durch die Denkweise der Soldaten, die Vorschriften, die Gesetze des Landes, die Handlungen, die Rahmenbedingungen bis zur Organisation ja sogar bis zur Ausrüstung und Bewaffnung einer Armee durchziehen.
Bei der Bundeswehr ist dies der Rechtsstaat, die demokratische Grundordnung, unsere Verfassung, unser Menschenbild, die Menschenwürde nach § 1 des GG als überstaatliches oder vorstaatliches Recht.
Durch das Soldatengesetz und den daraus abgeleiteten Vorschriften ist dies präzisiert. Spätestens der Kompaniechef in der Hierarchie der Bw ist der unterste Repräsentant unseres Rechtsstaates. Er hat Amtspflichten, die viele Vorgänge in seiner Kompanie zu Offizialdelikten machen. Wenn er davon erfährt muss er der Sache nachgehen, ansonsten macht er sich strafrechtlich schuldig. Ebenfalls gilt für jeden Soldaten, dass er das Recht nicht beugen darf oder gar Meldungen über Rechtsverstösse unterdrücken darf.
In so einer Bw, die mit Bundespersonalvertretungsrecht, Soldatenbeteiligungsgesetz usw. ein Abbild unserer staatlichen Kultur ist, sagen die Juristen im Ministerium sie sind nicht zuständig – unfassbar.
Dabei haben sie vorher schon eindeutig Position gegen die Einstufung des ISAF-Einsatzes als nicht-internationalen bewaffneten Konflikt bezogen und dementsprechend die Richtlinien der ROE für den ISAF-Einsatz entwickelt. (Aufsatz Rechtsberater 2006).
Ich denke man kann davon ausgehen, dass die Fachjuristen in den Ministerien maßgeblich den Politikern die juristischen Rahmenbedingungen vorgeben.
Ich kann mir auch vorstellen, dass es das eine Symbiose zwischen Juristen und verantwortlichen Politikern gibt.
Sehr regide ROE machen den Einsatz zwar wirkungslos, bzw. der Auftrag der Bekämpfung der Aufständischen kann de facto nicht durchgeführt werden, verursachen aber auch weniger Opfer, gefallene Soldaten und weniger tote Afghanen als Kollateralschäden. Dadurch kann die Politik den Einsatz in der Gesellschaft noch durchhalten, trotz überwiegender Ablehnung durch die Öffentlichkeit.
Außerdem wird doch nach dem 04.09.2009 kein deutscher Verantwortlicher mehr in Kunduz irgendeine politisch risikoreiche militärische Maßnahme befehlen, was die Verluste weiter sinken lässt, und der Einsatz dadurch politisch noch länger durchgehalten werden kann – wenn auch weitgehend wirkungslos.
Und dies alles wollen die Fachjuristen nicht vorbedacht haben wie sie die ROE formulierten ?