Leider habe ich es erst zu spät entdeckt. Ein Theasterstück über Soldaten in „Der Werkstatt“ in Bonn – Uraufführung heute Abend 20 Uhr:
Über das deutsche Verhältnis zum Krieg, zum Fremden, zur Bedrohung durch den Terrorismus und nicht zuletzt zum eigenen Land hat Lothar Kittstein im Auftrag von Theater Bonn ein Stück geschrieben.
Ein fremdes Land. Ein Haus im Gebirge. Stille. Einsamkeit. Hier haben drei deutsche Soldaten auf einer Erkundungsfahrt Unterschlupf gefunden. Der Wagen ist defekt, sie sitzen fest. Ihr Auftrag ist klar: Den Frieden im Land sichern, Demokratie ermöglichen, neue Strukturen aufbauen. Doch je länger die Situation währt, desto mehr bricht sich Bahn, was im soldatischen Leben keinen Platz hat und den Auftrag gefährdet. Die Spannungen und Sehnsüchte werden stärker – bis schließlich die Situation eskaliert.
In der Inszenierung von Stefan Heiseke sind Maria Munkert, Bernd Braun und Konstantin Lindhorst zu sehen.
Leider ist die Uraufführung heute schon ausverkauft – und ich habe keine Karte mehr ergattern können.
Weiter Spieltermine und Reservierungen hier.
Aus dem Generalanzeiger:
„Haus des Friedens“ heißt das neue Stück. Es handelt von drei deutschen Soldaten, einer Frau und zwei Männern, die im Auslandseinsatz sind und irgendwo festsitzen. „Natürlich werden alle Afghanistan denken“, bemerkt der Autor. Dabei betont er die Offenheit seines Werkes und die „Modellhaftigkeit“. „Ich schreibe letztlich was Fiktives“, sagt er, „ein Kunstwerk im emphatischen Sinn des Wortes“.
Kittstein, dem die Beredsamkeit in die Wiege gelegt wurde, unterstützt seine Ausführungen durch engagierte Gesten. Er kann alles erklären, jedes Thema schnell durchdringen, alles auf intelligente Formeln bringen, und seien die Fragen auch noch so trivial. Ein kluger Kopf, und wahrscheinlich auch ein sehr begabter Vater. Gleichzeitig legt Kittstein glaubwürdig dar, dass sein Thema – deutsche Soldaten im Auslandseinsatz – ihn gefunden hat und nicht er sein Thema. Im neuen Stück steckt viel Leidenschaft.
Der Verfasser kennt seine Rolle und akzeptiert die Bedingungen der Arbeitsteilung. Bei den Proben des Regisseurs Stefan Heiseke mit den Schauspielern Maria Munkert, Bernd Braun und Konstantin Lindhorst ist er nicht dabei.
Beim Schreiben hat Kittstein zwar mit den drei Schauspielern gerechnet, „große Nähe ist aber schwierig“: ein ambivalentes Verhältnis. Ähnlich würde er auch empfinden, wenn seine Frau Birte Schrein die Rolle der Frau in „Haus des Friedens“ übernommen hätte.
Das formuliert Kittstein sehr diplomatisch. Kann man diesen schon auffällig sympathischen Theatermann eigentlich provozieren? Zum Beispiel mit der (akademischen) These, sein neues Stück könne ja am Mittwoch bei der Premiere total untergehen. „Das Scheitern“, sagt Lothar Kittstein, „ist das Recht jeder Theateraufführung.“ (mehr hier general-anzeiger-bonn.de)
Oh! Da bin ich jetzt schon auf die ersten Rezensionen gespannt (Bonn ist ein bisschen weit für „eben mal hin“).
Ich habe gerade „Black Watch“ von Gregory Burke ausgelesen, ein wahnsinniges Stück des National Theatre of Scotland über britische Soldaten im Irak, das eine ähnliche Thematik hat.
Interessant übrigens auch, dass Kittstein und Burke fast ein Jahrgang sind. Ob ein „neuer“ künstlerischer Blick auf das, was dort draußen geschieht auch was mit dem Alter zu tun hat?
Und ich komme gerade aus der Premiere – bin noch sehr beeindruckt!
Super Leistung der drei Schauspieler, der Ort des „Geschehens“ hervorragend geeignet, nichts lenkte ab. Wie gesagt, ausverkauftes Haus, begeistertes Publikum. Lothar Kittstein hat eindrucksvoll gezeigt, wie man Menschen auch für Bundeswehr, Soldaten und Krieg interessieren kann – ohne erhobenen Zeigefinger, dennoch zum Nachdenken anregend!!! Und er ist tief in die Seele der Soldaten abgetaucht.
Sehr zu empfehlen!
Man darf gespannt sein, wie die Kritiker es wieder sehen, ob sie in der gleichen Vorstellung waren wie ich 😉
Da waren Sie mal wieder schneller als ich Klaus 😉 Ende März ist die nächste Vorstellung. Villeicht können wir das Ensemble ja „überreden“ für die Leser dieses Blogs eine Sondervorstellung zu geben….
Die Frage von Anna Nym, ob ein „neuer“ künstlerischer Blick auch etwas mit dem Alter zu tun hat, kann ich nicht beantworten, aber man konnte beobachten, dass es zumindest bei den Besuchern durchweg durch alle Altersgruppen ging. Und beim „Gläschen danach“ im Foyer wurde angeregt über „Willkommen im Krieg. Oder so ähnlich.“ diskutiert.
Nach einer Mütze Schlaf muss ich sagen: Mir hat diese Aufführung wesentlich besser gefallen, als alle 3 Fernsehfilme zuletzt, die sich mit diesem Thema befasst haben. Leider erreicht man damit nur ein regionales Publikum – eigentlich müsste dieses Stück in der Besetzung durch die Republik reisen!
Tief gingen die zwischendurch eingeblendeten Original-Großaufnahmen von „echten“ Soldatinnen und Soldaten in der Vorbereitung und im Einsatz – übrigens ist nie das Land Afghanistan als „Schauplatz“ erwähnt worden, obwohl alles darauf hinwies. Der Zuschauer wurde also ständig daran erinnert, dieses Thema ist nicht fiktiv, sondern beängstigend real! Und das ließ einen schon manchesmal schlucken.
Nebenbei bemerkt:
In Afghanistan ist am 19.02.10 der 1.000 US-Soldat, Gregory Scott, – so jedenfalls die unabhängige Web-Seite icasualities.org – seit Beginn des Krieges 2001 gefallen. Lt. Pentagon ist es „erst“ der 996!Gestern Mittag stand sein Heimatort Spalier, um den Soldaten vom Flughafen zum Beerdigungsinstitut zu begleiten.
Die Armeeführung verzichtete darauf, seinen Tod in besonderer Weise herauszustellen: „Wir trauern um jeden Verlust. Die Nation ist tief in der Schuld derer, die das letzte Opfer bei der Verteidigung unseres Landes bringen“, meinte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates Mike Hammer.
Und das Pentagon bereitet Amerika bereits darauf vor, dass die Zahl der Verluste in den nächsten Wochen drastisch in die Höhe gehen kann.
Die Nation ist tief in der Schuld derer, die das letzte Opfer bei der Verteidigung unseres Landes bringen – dies sollte in jedem Abgeordneten-Büro der deutschen Parlamentarier hängen!!!
Bei uns undenkbar.
Die Ami`s können persönlich gegen den Krieg sein,
aber zumindest Respekt gegenüber den Soldaten erweisen.
Das ist unserer grundpazifierten Gesellschaft offensichtlich unmöglich. ;-(
Da bin ich aber beruhigt, dass der Kritiker D. Kanthak und ich im „gleichen Stück“ waren 😉
Premiere von „Haus des Friedens“ in der Werkstatt
Von Dietmar Kanthak
Bonn. Mit den Männern lässt sich kein Krieg gewinnen. Lorenz (Konstantin Lindhorst) ist ein Nervenbündel, er produziert unablässig Redeflüsse und stellt Monolog-Blöcke in den Raum. An seinem Einsatz – in Afghanistan? – zweifelt der junge deutsche Soldat. Jost (Bernd Braun) ist der Chef.
Der Job hat ihm offenbar zugesetzt, er strahlt eine große Vergeblichkeit aus, ist zynisch und traumatisiert nach dem Tod eines Mitglieds seiner Einheit. Und er hängt an der Flasche. Auftritt Maria Munkert als Marie. Sie ist Energie pur, das sieht man schon daran, wie sie einen Kaugummi im Mund traktiert. Sie ist topfit und zweikampfstark; Marie legt die Männer flach, wenn sie ihr zu nahe kommen.
Eintrittkarten Karten in den GA-Zweigstellen Marie ist von ihrer Mission erfüllt, sie ist in das fremde Land gekommen, „um die Welt zu ändern“. Die Rechte der Frauen liegen ihr besonders am Herzen. Die Männer verspotten sie als Mädchen in Uniform und als Jeanne d’Arc, Jost heißt sie „willkommen im Krieg“. Doch Marie, die auch im Glauben und im Gebet einen Sinn findet, glüht regelrecht, wenn sie emphatisch sagt: „Ich bin echt im Einsatz.“
In Lothar Kittsteins Stück „Haus des Friedens“, das jetzt von Stefan Heiseke in der Werkstatt uraufgeführt wurde, sitzen die drei uniformierten deutschen Soldaten in einer ehemaligen Impfstation fest, wo genau, bleibt offen. Die Außenwelt ist auf Uta Heisekes kahler Bühne abwesend: kein Talibankämpfer in Sicht. Der Boden der Spielfläche ist schwarz. Der Regisseur nutzt audiovisuelle Reize, um die Sache aufzupeppen.
TermineDie nächsten Aufführungen finden am 12. und 27. März 2010 statt. Zum Beispiel zeigt Heiseke in schlaglichtartigen Schwarz-Weiß-Projektionen Soldaten im Einsatz. Stimmen vom Band sind so etwas wie der Nachhall der Dialoge. Heiseke bekräftigt damit seine Anwesenheit als Regisseur, man weiß aber auch so, worum es an diesem Abend geht. Kittsteins Idee, seine Figuren an einem Ort festzuhalten, führt zu kammerspielhaften Konfrontationen.
Marie, Lorenz und Jost reagieren aufeinander, nähern sich an, stoßen sich ab. Das Stück vermischt Psychologie und Positionen, Persönliches und Politik. Meistens sind zwei Personen miteinander beschäftigt, die dritte wartet im Dunkeln auf ihren Einsatz. Heiseke inszeniert mit ruhiger Hand, gibt jedem Detail Kraft und Zeit, sich zu entfalten.
Die Männer sind Opfer des Krieges, psychisch verwundet, nicht körperlich. Marie ist als Novizin dem Belehrungswahn des älteren und den Zudringlichkeiten des jüngeren Soldaten ausgeliefert. Ganz gleichgültig lassen sie beide nicht. Es gehört zu den Vorzügen des Stückes und der Inszenierung, dass sie Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht Thesen. Nichts leichter, als im Theater gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu polemisieren.
Stattdessen illustrieren Kittstein und Heiseke, was ein nicht offiziell erklärter Krieg mit den Menschen macht. Maria Munkert, Bernd Braun und Konstantin Lindhorst fördern die psychologischen Akzente des Stückes zutage, die Komik und die Körperlichkeit. Sie spielen Menschen im permanenten Kampfeinsatz, die Uniform, die sie im Einsatz tragen, können sie auch im Privaten nicht mehr ablegen.
Artikel vom 26.02.2010