In ungewöhnlich scharfer Form hat der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, Mängel und Defizite bei der Bundeswehr angeprangert. In den deutschen Streitkräften gebe es eine unübersichtliche Führungsstruktur, zu viel Bürokratie, Reibungsverluste und eine veraltete Planung für den Einsatz von Material und Personal, sagte Robbe in Berlin bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2009. In vielen Bereichen sei die Bundeswehr noch nicht in der Einsatzrealität angekommen. In seinen Jahresbericht flossen rund 5700 Eingaben von Soldaten ein und die Erkenntnisse, die Robbe selbst bei Truppenbesuchen gewann. (mehr auf abendblatt.de) Der komplette Jahresbericht zum Download hier.
Dass der Wehrbeauftragte Robbe in seinem Jahresbericht Missstände in der Bundeswehr anprangert, gehört zu seinen Aufgaben. Dass er fehlende und unzureichende Ausrüstung sowie den eklatanten Ärztemangel beklagt, ist gut und richtig. Dass Robbe in seinem letzten Jahresbericht mit der Bundeswehr derart hart ins Gericht geht, ist typisch für ihn. Er ist nach meiner Beobachtung immer dann mutig, wenn er nichts zu verlieren hat.
Wenn Robbe der Sanitätsführung und insbesondere dem verantwortlichen Inspekteur allerdings in einem veröffentlichten offiziellen Dokument ein „klares Versagen“ vorwirft, dann überschreitet er seine Kompetenz und ist nach meiner Ansicht unverschämt.
Die Dreistigkeit der Personalführung der Bundeswehr ist nach dem Bericht des Wehrbeuaftragten kaum zu überbieten:
Schon wundern konnte man sich, dass die zentrale Beurteilungsvorschrift der Bundeswehr vom Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig eingestuft worden ist. Ist dafür eigentlich jemand von der Personalführung zur Rechenschaft gezogen worden?
Nun erfahren wir, dass der Wehrbeauftagte von der Rechtmäßigkeit der Neufassung der ZDv 20/6 nicht überzeugt ist.
Und um der Dreistigkeit die Krone aufzusetzen, will man nun auch noch Beurteilungen, die nach rechtswidriger Vorschriftlage entstanden sind, zur Grundlage weiterer Personalentscheidungen machen.
Eigentlich muss man sich wundern, dass bis jetzt nur 600 Ärzte fehlen. Insgesamt spricht es für die Leidensfähigkeit der Soldaten und dafür, dass der „Fisch am Kopf zu stinken beginnt.“
Alle sind nur mutig, wenn sie nichts mehr zu verlieren habe, siehe das Geschwafel der seinerzeit verantwortlichen Politiker aller Couleur in der gestrigen Frontal-Sendung. Alle haben angeblich gewusst, dass Deutschland seine Soldaten in den Krieg geschickt hat, aber keiner hat sich getraut, den Mund aufzumachen, so lange er noch auf seinem Ministersessel, auf der Regierungsbank oder im gut gepolsterten Sessel auf der Hardhöhe oder im Bendler Blog saß. Keiner hat VT Jung öffentlich widersprochen. Wie war das mit dem Glashaus und dem ersten Stein?
Herr Robbe ist nicht unverschämt, sondern die Verantwortlichen, ob in Politik oder in militärischer Verantwortung. Denn diejenigen handeln grob fahrlässig, indem sie unsere Soldaten nicht oder nicht ausreichend ausgerüstet und ausgebildet in einen Krieg schicken, damit nur das Volk nicht die Wahrheit erfährt.
Spüren wir nicht fast alle tief in unserem Herzen das Bedürfnis, entweder durch das Knacken des Jackpots oder bei Erreichen der Pensionsgrenze, sich für manches Nichtzuhören, so manche arrogante Ignoranz manch einem
eine vor den Latz zu knallen – verbal versteht sich!
Und eines hat Herr Robbe immer getan, er hatte nicht nur ein Ohr für „seine“ Soldaten, sondern auch für uns Familien! Ich nehme ihm ab, dass es ihm ein „inneres Bedürfnis“ war, Klartext zu reden und noch einen „letzten Dienst“ seinen Soldaten zu erweisen – Hut ab, Herr Robbe!
Einer der wenigen mutigen Offiziere ist für mich schon seit einigen Jahren der Unfallchirurg Wolfgang Petersen am BwZk in Koblenz, der sich immer wieder in die Öffentlichkeit getraut hat:
Hier ein Interview im SWR 4:
http://www1.swr.de/podcast/xml/regionen/koblenz.xml
Wenn man schon nicht mehr in der Lage ist, ein BAT mit einem Mediziner auf Patrouille oder ins Gefecht zu schicken, sondern anstatt dessen sich eines Psychologen bedienen muss, der im Notfall erste Hilfe leisten muss oder wenn die Soldaten in ihrer Vorbereitung darin unterwiesen werden, sich gegenseitig einen Tubus zu setzen, weil sie die Verlegung über den Salang-Pass völlig ohne medizinisches Personal bewerkstelligen muss – dann sind wir doch wohl weit genug. Einem ehem. Bw-Arzt und Direktor einer großen Klinik fiel bei dieser Information glatt die Kinnlade herunter, seinen weiteren Kommentar lasse ich lieber unerwähnt.
Für mich beginnt der Fisch nicht nur am Kopf zu stinken, er ist schon vollends im Verwesungszustand. Und das nicht nur in der Bundeswehr, sondern erst recht in der Politik!
Und was den Politikern Recht ist, dürfte einem Herrn Robbe erst recht billig sein. Hoffentlich auch seinem Nachfolger, möge die FDP hier endlich mal ein glückliches Händchen beweisen – zum Wohle unserer Soldaten!
@Klaus: Im Bendler Blog sitze ich, die, die Sie meinen sitzen im Bendlerblock 😉
Die Mitglieder des Haushaltsausschusses der Regierungskoalition haben im Verteidigungshaushalt 2011 Mittel in Höhe von 457 Mill Euro gestrichen. Angesichts der nur wenige Tage vorher vom Wehrbeauftragen angeprangerten Ausrüstungsdefizite in der Bundeswehr erscheint dies wie Hohn.
Bemerkenswert ist auch, dass VM zG dies während der Bundestagsdebatte kommentarlos hingenommen hat.
Natürlich ist die schwierige Haushaltslage zu berücksichtigen. Aber es ist doch mehr als zweifelhaft, eigenen, im Krieg stehenden Streitkräften die Mittel zu kürzen, nahezu zeitgleich einen Kriegseinsatz zu verlängern und dabei zu erklären, dass sich die Lage in Afghanistan zu einem „bewaffnetem Konflikt“ ausgeweitet habe.