Wenn man es einmal geschafft hat, ein Buch zu schreiben, dann denkt wahrscheinlich jeder Autor, dieses Buch sei das wichtigste, auf das die Welt warten musste. Spätestens dann, wenn man seine Füsse erstmals über die Türschwelle einer Buchmessen-Halle bewegt, merkt man, dass es irgendwie nicht so sein kann 😉 Hebt man selbige dann gleichzeitig hoch, kippt man nicht um…Geschäftiges Treiben engagierter Klein- und Großverlage, Lesungen von der Stange, ein akustisches Kaleidoskop von ineinander verschmelzenden Stimmen, Rückkopplungen verursachen fast einen Hörsturz, alle drei Meter. Messeradio, Autorensofas in sämtlichen Farben – hier prallen Ansichten und Subjektivität des Weltgeschehens aufeinander. Ich glaube, ich verschwinde im Nichts, im Nirvanda eines endlosen Strudels. Oft bleibt man irgendwo stehen – nicht, weil man irgendetwas interessantes hört oder sieht, sondern weil man einfach mal verschnaufen muss: Mangas hier, Mangas dort – ich glaube ich werde alt. Mit Schwertern bewaffnete Ritter schlagen draussen Schlachten, (er)leben ihre Lieblingsbücher (aus).
Drei Jahre ist Kabul, ich komme wieder nun fast alt. Was soll ich hier? „Uui, schau mal, da steht mein Buch.“ Ex-Modelmacher hypen ihre qutotenträchtige Vergangenheit, Althippies referieren über ihre Wander- und Kiffererfahrung aus den 60ern. Wer soll das alles lesen? Eine halbe Stunde soll ich referieren: im Sachbuch-Forum. „Handverlesene“ Autoren am Fließband lamentieren im stoisch-monotonen Wortfetzen über Themen, die die Welt nicht interessiert. Altsolzialisten, über die Wirtschaftskrise und andere, bei denen ich nicht verstehe, was sie eigentlich meinen. Halle 5 Stand B101 vielleicht nur eine praktische Kreuzung auf dem Weg zum Restaurant, um sich die schrumpeligen Krampfadern auf einem Hocker zu glätten 😉 Mist, was tue ich, wenn keiner kommt und Pause machen will? Aber da steht doch: Boris Barschow schildert eindrucksvoll seine Eindrücke aus Kabul. Eindrucksvoll? Mmmmh. Hier? Soll ich eine halbe Stunde vorlesen? Hört doch eh keiner zu. Die Altsozialisten räumen das Podium. Haben auch noch überzogen. Typisch. Los weg da. Zirka 30 Pausiernde erheben sich von ihren Stühlen und verschwinden. Mist.
Der Weg aufs Podium gleicht der Besteigung des Mount Everest. Bloß nicht umdrehen und nach unten gucken. Augen zu und durch. Als ich sie wieder öffne, erschrecke ich. Zirka 90 neue Pausenteilnehmer. Puuh. Der Moderator vom Verlag fragt, „Wie kommt man eigentlich nach Afghanistan?“ Mit dem Flugzeug, denke ich, hole innerlich tief Luft und fange einfach von vorne mit der Geschichte an. Die Zeit rast. Anfangs noch sehe in den Augenwinkeln viele miteinander tuscheln. Allmählich bewegen sich die Köpfe weniger, starren aufs Podium. Habe ich sie jetzt? Mir fallen gerade soviele Geschichten ein, die Zeit rast.
Als ich das Wort Krieg benutze, grinst der Typ in der ersten Reihe nicht mehr. In der vierten Reihe rechts hat eine Frau mein Buch in ihren Händen. Hinten links ein älterer Herr: permanent am Nicken. Ich rede über Aufmerksamkeit, über meine Erfahrungen und Freundschaften mit Afghanen, beklage das gesellschaftspolitische Desinteresse hierzulande, erzähle die eine oder andere Positiv-Geschichte über das Land am Hindukusch und bemerke, wieviele Menschen und Familien in Deutschland vom Afghanistan-Einsatz betroffen sind. Rede ich mich gerade in einen Wahn? Egal. Da müssen die Leute jetzt durch. Sie sind doch freiwillig hier. Nach gefühlten zwei Minuten ist die halbe Stunde rum. Der Moderator verschwindet wortlos zur nächsten Lesung. Ich bedanke mich bei den Zuhörern für ihre Aufmerksamkeit. Applaus. Den hatten die Alzsozialisten nicht.
Bevor ich das Podium verlassen kann, stellen sich mir plötzlich völlig unerwartet einige Zuhörer in den Weg, fragen nach Widmungen und debattieren mit mir über den Zeit-Artikel Das Kundus Syndrom. Woow. Zwei andere fragen nach der Blogadresse. Eine andere will das Buch ihrem Sohn schenken, der Bundeswehrsoldaten auf den Afghanistan-Einsatz vorbereitet. Ein pakistanischer Journalist von der Deutschen Welle hält mir sein Mikrofon unter die Nase. Ein Entwicklungshelfer-Pärchen bedankt sich sehr freundlich, dass ich mir die Zeit genommen habe, extranach Leipzig zu kommen – hatte ich doch anfangs noch gedacht, was ich hier eigentlich soll. Und ein weiterer Mann bittet um mein Leseexemplar. Wooow. Als ich endgültig gehe, sehe ich nur einen, der offenbar eingeschlafen ist. Das ist doch eine gute Quote. Danke dafür.

Oktober 2008: schon etwas alt ;-), aber erst jetzt online entdeckt, einfach mal als Vergleich zu heute...
Ich hoffe du hast wieder ein paar weitere für das Thema interessiert – durftest du in diesem Rahmen auch Werbung für deinen Blog machen?
Ich habe die Adresse im Vortrag erwähnt und einige haben hinterher noch mal nachgefragt 🙂
Toll geschrieben Herr Barschow. Launig, zum Teil sehr spaßig und sehr deprimierend. Wenn das ihre Absicht war, sage ich: Volltreffer! Der Krieg ist sch….egal. Natürlich muss auch in anderen Bereichen das Leben weitergehen. Aber eine gewisse Grundbetroffenheit sollte jeder oder wenigstens die meisten Menschen mitbringen. Wie jemand wie Sie, der nah an den Einschlägen war empfindet kann man nachlesen. Was ist mit denen die nicht ihre Möglichkeiten haben, diejenigen denen wirklich die Brocken um die Ohren fliegen, die ihr G36 hochreissen und auf 25m einen Taliban erschießen? Wie muss denen eine Leibziger Buchmesse vorkommen? Wenn es diese Soldaten es geschafft haben sollten, zunächst ohne Trauma zurückzukommen, wird sich selbiges in kürzester Zeit auf heimatlichem Boden entwickeln.
Dennoch möchte ich ihnen zu ihrem Mut gratulieren, sei es in Kabul oder bei der Redeschlacht zwischen Intellektuellen, interessierten Zuhörern und dem einem erschöpften Teilnehmer. 🙂
Danke für die Blumen. Ja, ist so gemeint…
„(…) Was ist mit denen die nicht ihre Möglichkeiten haben, diejenigen denen wirklich die Brocken um die Ohren fliegen, die ihr G36 hochreissen und auf 25m einen Taliban erschießen? (…)“
Wo haben Sie denn diese Kampfentfernung gefunden/gehört?
Habe noch keine öffentliche Quelle gefunden, die je auf so etwas eingegangen wäre.
Es stimmt natürlich, dass die allermeisten Kämpfe aus sagen wir mal 100-300 Meter statt finden. Oder dass viele Leute den Feind nicht mal sehen.
Es gibt aber auch Einzelfälle in denen die Entfernung viel kürzer ist. Ein britischer Soldat hat z.B. einen Taliban mit einem Bayonett getötet.
Oder das hier:
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/afghanistan/7489393/It-was-like-Zulu.html
^^
Das ist sind übrigens die gleichen Soldaten, die in London still in ihren roten Uniformen Wache halten
Die Entfernung von 25m bis 100m halte ich gar nicht so unrealistisch; und ich meine dies bezogen auf deutsche Soldaten.
Da stehen auch immer andere Einheiten, kann man ja u.a. an den Knöpfen der Jacke erkennen. 😉
Da empfiehlt es sich Trooping the Colour zu Ehren der Geburtstag der Königin zu schauen.
Oder mal nach London fliegen natürlich. 😉
Klingt doch erfolgreich!
Herzlichen Glückwunsch, dass sie das „Schlachtfeld Leipziger Buchmesse“ überlebt haben. 😉
Das mit der Widmung unter ihr Buch wäre eigentlich noch eine Idee; muss ich mal im Hinterkopf behalten.
Soldatenglück.de hat sie übrigens recht interessant vertreten, während sie weg waren.
Danke. Nur die Harten kommen in den Garten 😉 Habe gerade geschaut bei Soldatenglück. Wenn Sie das alles schon gelesen haben, dann muss ich ja hier nicht nachreichen, oder? By the way: interessiert sich hier noch irgendjemand für den U-Ausschuss? Wollen wir abwarten, was heraus kommt oder soll ich hier am Ball bleiben? ich bin hin und her gerissen…
Ach ja der U-Ausschuss.
Persönlich würde mich ja mal interessieren, wann die wieder zu ihrem eigentlichem Thema zurückfinden und die Parteigeplänkel lassen.
Konnte heute die Diskussion zwischen Helmut Schmidt und KtzG sehen, welche mir gezeigt hat, dass selbst „Genossen“ (Zitat aus der Sendung und meine damit sowohl Schmidt als auch Scharping) und der IBuK der großen anderen Konstellation durchaus friedlich und effektiv miteinander umgehen können.
Wäre doch als Ausbildung für den Bundestag mal ganz nett.
Wann sind Sie eigentlich mal wieder in AFG?
Wann ich wieder mal in AFG bin? Das wissen bis jetzt nur die Götter. Am liebsten würde ich gerne direkt vom Ort des Geschehens berichten. Wenn es so sein soll, wird es auch so kommen…insha-allah…;-)
Nachbrenner:
Evtl. bin ich nur blind/zu doof, aber gibt es hier irgendwo eine Anleitung dazu, wie man hier als Kommentator Texte formatieren kann?
Das brennt mir schon länger auf der Seele.
…mit den normalen Quellcodezeichen für fett, für kursiv für einen Absatz. Einen Link können Sie hier einfach reinkopieren, der ist dan anklickbar…
nutzen sie jeweils die sonderzeichen für den befehl wie „strong“ für fett (einfach zwischen die klammern schreiben…am ende dann immer „“ und den befehl nach dem schrägstrich. verstanden? i steht für kursiv und b für einen absatz
Missbrauch zum Testen.
geht doch 😉 prima.
„Mit Schwertern bewaffnete Ritter schlagen draussen Schlachten, (er)leben ihre Lieblingsbücher (aus).“
Ach, die waren auch wieder da? 😀 Ich dachte, ich wär‘ im falschen Film beim letzten Mal.
Klingt doch insgesamt recht erfolgreich. Glückwunsch! 90 Zuhörer, und wenn da noch der ein oder andere hier vorbeischaut… (Multiplikatoren, Multiplikatoren!).
1. Weblog Sicherheitspolitik scheint wieder aktiv zu werden! Erstes neues Posting auf der Homepage! http://weblog-sicherheitspolitik.info/
2. Gestern Abend (21.03.2010) kurz vor Mitternacht lief auf RTL eine Reportage über Frauen bei der Bw. Im Vergleich zu allem, was so bisher zu diesem Thema im Fernsehen lief, fand ich diese gar nicht mal soo schlecht.
Link zur Sendung bei der Produktionsfirma: http://www.azmedia.de/fileadmin/redakteure/pdf/sendeinformationen/INFOS_DgR_Frauen_bei_d._Bundeswehr_21.03.10.pdf
Na tolle Wurst. Null Werbung vorher und dann zur Unzeit senden. Danke RTL. Scheint ja eine echte Herzensangelegenheit des Chefs gewesen zu sein.
Kann man das noch irgendwo nachholen?
pi
Zum Einen empfehle ich hier mal den TV-Planer von tvspielfilm.de (http://www.tvspielfilm.de/tv-programm/tv-sender/) und zum Anderen lief schon vorher Werbung dafür.
Persönlich sehe ich RTL auch meist nur beim Zappen, aber dabei hat mich Freitag oder Samstag Abend die Werbung dazu angesprungen.
Bei Youtube habe ich es noch nicht gefunden und die Homepage von RTL ist mir zu unübersichtlich, als dass ich dort Lust gehabt hätte nach einer Mediathek zu suchen.
@Someone
„Ehrenkreuze für Tapferkeit… AfghanistanBolg vom 22. Januar“
Der HptFw Seibert hat in einer Duellsituation einen Taliban getötet. Wenn man sich weiter durch die Quellen klickt wird das auch genau er beschrieben:
„…Einer von ihnen bleibt in nur 25 Meter Entfernung stehen und schießt mit seiner Kalaschnikow weiter auf die Deutschen. Die Geschosse verfehlen E., Soldaten aus seinem Trupp und Seibert selbst nur knapp. Geistesgegenwärtig und entschlossen reißt Hauptfeldwebel Seibert seine Waffe nach oben und kann den Angreifer im Duell ausschalten. „Wenn jemand aus 25 Meter Entfernung auf dich schießt, und immer näher auf dich zukommt, musst du dich entscheiden. Entweder er oder ich – Leben oder Tod!“… „
Gut, ich wollte nur noch mal eine Bestätigung, dass es hierzu schon öffentlich zugängliche Quellen gibt. Irgendwo las ich heute, dass ihm oder dem zweiten Portepee seine Kopfbedeckung, knitterfrei (Gefechtshelm) geholfen haben soll, da hier ein Geschoß abprallte.
Wie wäre es mit einer Rubrik „Ich habe da etwas gefunden, das demnächst im Fernsehen läuft und evtl. interessant sein könnte“?
Vielleicht mit kürzerem Titel…
Heute (22.03.2010) läuft um 23:00 Uhr auf Sat1 eine Spiegel TV Reportage über das Landstuhl Regional Medical Center der US Armee.
Wenn da mal nicht Irak/Afghanistan drin vorkommen…
Diese Anregung werde ich fürs neue Blog aufgreifen, so dass jeder, der etwas entdeckt, eine Notiz und einen Hinweis hinterlassen kann…
Gute Idee. Ich würde dann hie und da Radiotipps melden, weil ich die relativ einfach über meine Internetradio-Software finden kann (automatische Suche nach Schlagwort).
(…wenn überhaupt noch Radio gehört wird 😉 )
Hab heute das Ktgt-Buch RC North 19.Ktgt in der Hand gehabt. Hat lange bis zu uns in den Standort gebraucht, hat es denn schon den Weg zu Ihnen gefunden? Hab da nen CULTURAL ADVISOR entdeckt 😉
Da sind Sie mir gegenüber durchaus im Vorteil – ich habe das Buch nicht erhalten. Ein Kamerad meinte neulich, da wäre nichts drin – zumindest nicht vollständig…;-) Sollten Sie Zugang zum Buch haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir Digitalfotos von den ein oder zwei Seiten mailen könnten: Boris.Barschow@web.de oder Sie stöbern noch ein Exemplar für mich auf??? So wie ich dieses Kontingent kennenlernen durfte, bin ich mir sicher, dass man mich „vergessen“ hat 😉 Sie würden mir also eine große Freunde bereiten…
Klicke, um auf artikel_heft_26_2.pdf zuzugreifen
„Der Einsatz der QRF 3 in Afghanistan vom 14.04. bis 18.10.2009“
So informativ habe ich lange nichts gefunden.
pi
das Buch ist unterwegs…