Es sind ja die kleinen Dinge im Leben, über die man sich freut. Endlich halte ich es in meinen eigenen Händen – das 19 DEU EINSKTGT ISAF – Buch aus meinem letzten Einsatz. Hatte schon gedacht, man hätte mich vergessen. Gott sei Dank hat ein Leser dieses Blogs mich im Koningentbuch entdeckt und hat es mir dankenswerterweise besorgt. Und heute wurde es mir endlich mit der Post zugestellt. Eine schöne Erinnerung an eine sehr intensive und lehrreiche Zeit in Mazar-e Sharif. Danke dafür an den Kameraden, der hier ständig mitliest und sich engagiert.
Im Einsatz ist nicht alles Gold, was glänzt. Das musste ich am eigenen Leibe miterleben. Die Facetten eines Einsatzes sind so weit gefächert, das kann sich das niemand vorstellen kann, der noch nicht im Einsatz war. Menschen verändern sich, kümmern sich um Dinge, mit denen sie eigentlich gar nichts am Hut haben, einige ziehen sich total zurück und „funktionieren“ nicht mehr, andere werden zu pro-aktiv und überschreiten ihre Kompetenzen, reissen aus der Spur aus. Manch ein Vorgesetzter war mit seiner Leitfunktion überfordert, weil er eher mit sich selbst beschäftigt war als mit seinen Untergebenen…da verändert sich die Perspektive und das Urteilsvermögen- auch dieses Phänomen (leider) einfach „menschlich“. Wenn ich sehe wie wir hier aus der Ferne auf hohem Niveau über Afghanistan und den Bundeswehreinsatz diskutieren und debattieren, dann würden ihnen die Ohren wackeln, wenn Sie wüßten, mit welchen menschlichen Problemen mancher Auftrag im Einsatz wenig bis gar nicht umgesetzt werden kann. Der Oberhammer war, dass mir mal jemand gesagt hat, ich „solle mit meinem esoterischen Gelaber“ aufhören. Interkulturelle Kompetenz hat auch etwas mit Zuhören und Aufmerksamkeit zu tun. Und das sollte schon in den eigenen Reihen beginnen. Wenn das der Führer vor Ort das schon nicht kapiert, dann sind die besten Ansätze aus der Hauptstadt wie Perlen vor die Säue geworfen. Für mich war dieses Verhalten mehr als enttäuschend und zeigt im Grunde nur – abgesehen von den politischen Debatten, die diesen Einsatz tangieren (Rules of Engagement etc. pp) – dass das Karriereverhalten mancher im Einsatz weitergelebt wird: nur nichts falsch machen, sich hinterher nichts nachsagen lassen müssen. Ein nicht unwichtiger Soldat sagte nach den ersten Begrüßungsworten zu mir: „Herr Barschow, mit Ihnen habe ich ein Problem – Sie haben ein Buch geschrieben!“ Ja und? So ein Einsatz hat etwas mit Vertrauen zu tun. Und wenn derjenige eine dieses nicht aufbauen will, weil er metastasenhaft von Vorurteilen besessen ist, dann ist das enttäuschend und unprofessionell. Aber wir sind ja alle nur Menschen mit ihren eigenen Fehlern – und die gibt es schließlich auch beim Militär.
Mit dem Kontingentbuch halte ich nun die schönen Erinnerungen in den Händen, Erinnerungen anBegegnungen mit Kameraden, interessante Gespräche, manch einem konnte ich durch Zuhören helfen, dem anderen im Dialog. Freundschaften sind entstanden, die hoffentlich nie brechen werden, hat man doch gemeinsam Dinge erlebt, die zusammenschweissen…weil man sie erlebt hat, was viele (hierzulande) nicht erleben wollen. Aber tausende andere tun es für uns – unsere Soldaten. Mütter, Väter, Söhne und Töchter…sie gehen als verlängerter Arm der Politik in den Einsatz. Verdammt – gerade sie haben unseren Respekt, unsere Achtung und Anerkennung verdient, weil sie ihr Leben riskieren! Und deswegen gibt es dieses Blog auch. Weil andernorts zu wenig darüber berichtet wird…
P.S.: den unterirdischen peinlichen Rechtschreibfehler im Koningentbuch bitte ich stellvertretend für die Macher des Buches zu entschuldigen…;-)
Einen Freund erkennt man an seinem Standpunkt.
das hat aber lange gedauert 😉
Werter Herr Barschow,
die Herstellung und der Versand dieser Bücher wäre wohl über 21 Mal in allen unterschiedlichen Facetten des ISAF Einsatzes ein ganz eigenes Buch wert. Wie krieg ich alle Kameraden mit rein, wie macht man es hübsch, wie und wo läßt man drucken, wie kriegt man es schnell in den Einsatz und kann es verteilen. Wie beteiligt man Ktgt Splitter und andere mit kurzer Stehzeit. Macht man es mit Photoshop, Powerpoint, PaintShop oder Gimp und wie will es die Druckerei. Gibts Leute im Kontingent die es machen können und auch wollen?
Was ist Copyright! Was ist zu extrem? Was ist zu lahm? Wer darf eines bekommen? Wie rechnen wir es mit der Verwaltung ab? Wie beteiligt man alle?
In jedem Kontingent sahen sich einige diesen Fragen gegenüber und abhängig von ihrem Engagement und dem allgemeinen Zusammenhalt wurden dann daraus tolle Werke oder trockene Bildersammlungen. Ich war sehr froh dass wir rechtzeitig vor Begin der OUT Phase 19.Ktgt KDZ die Bücher verteilen konnten. Die nette Dame am Telephon der Druckerei hatte uns gerettet, da sie freundlicherweise noch einige Sachen ohne Aufpreis vor Ort fürs Drucken anpassen konnte. Die Riesendatenmenge mußte nämlich per Post auf CD versendet werden, da die Internetanbindung nichts hergab. Anschließend kreiste unsere Sendung dann noch unnötigerweise auf dem Post/Logistikkreis, um dann doch noch kurz vor dem Massentransit vor Ort anzukommen. Das 20. Ktgt hat das wohl dann nicht geschafft und der Frust bei einigen war groß.
Kleinigkeiten für manche aber meiner Meinung nach für uns als Ktgt sehr groß.
Ich finde es sehr schade Hr. Barschow daß ihnen ihr Buch nicht zeitgerecht überreicht werden konnte. Andererseits ist das vielleicht auch ein Abbild der Lage in MES. Ich hoffe beim Betrachten ihrer KtgtBücher denken sie an die vielen kleinen Geschichten, welche das Leben zwischen ihnen und ihren Kameraden schrieb und freuen sich den ein oder anderen kennen gelernt zu haben. Und ich hoffe Sie haben auch unsere Container in KDZ nicht in schlechter Erinnerung behalten. mkG PhoenixTwoSix
Lieber Herr PHOENIXTwoSix,
ich glaube, mich an Sie zu erinnern. Ein KtgBuch ist immer eine schöne Erinnerung. Letztendlich erinnert man sich an die schönen Erlebnisse zurück. Die hatten wir Gott sei Dank auch – es hätten mehr sein können 😉 Meinen Respekt dafür, dass Sie das alles noch gebacken bekommen haben, ich weiß das zu schätzen!!! Jetzt warte ich nur noch auf meine Einsatzurkunde, auf meine Nachbetreung des Leit(d)verbandes ;-), nach sieben Monaten Rückkehr immer noch keine Einladung zum Rückkehrer-Seminar!!! Ziemlich armselig!! Aber so ist das nun mal. Zum Glück habe ich meine Gefechtssituation in Kundus gut verarbeitet. Jetzt habe ich die Bundesamt für Wehrverwaltung am Krawattel und die wollen 160 Euro von mir, weil das Kragenteil meiner Splitterschutzweste verschwunden ist!!! Und: ich hätte mit meinem grob fahrlässigen Verhalten die Bundesrepublik Deutschland sehr geschädigt. Ob man meinen Hinterbliebenen auch zerstörte Einsatzgegenstände in Rechnung gestellt worden wären, wenn die Raketen nicht 25m neben uns eingeschlagen, sondern direkt über unseren Köpfen eingeschlagen wären – diese Frage konnte man mir noch nicht beantworten. Lange Rede gar kein Sinn: solches Vorgehen lassen zeitweise jedwegliche freiwillige Überzeung dahin schwimmen. ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihre stets freundliche und kameradschaftlich Art. ich werde dieses KtgBuch hüten wie den Heiligen Gral. Weil es war unterm Strich doch eine verdammt gute Zeit. Und ich wünsche allen Soldaten, dass sie trotz vieler lebensberohlicher Situationen stets das Gute mit nach hause nehmen und sie daheim aufgefangen werden. PHOENIXTwoSix: die Soldaten, die ich in KDZ kennenlernen durfte, waren klasse. Danke dafür…
In MES hatte die Registrierung von Fahrrädern Vorrang 🙂 Und in KDZ geht die Mun aus…
…na, na, na…wir wollen doch keine Geheimnisse ausplaudern…das mit den Fahrrädern darf NIEMAND wissen 😉
Kompetenzgerangel, persönliche Eitelkeiten – alles menschlich, keine Frage!
Hat aber in einem Krieg nichts verloren, wo sich jeder auf den anderen verlassen muss, wahrscheinlich hat manch einem noch nicht genug Feuer unter dem Allerwertesten gebrannt, sonst hätte er andere Sorgen.
Ab und zu trösten einen denn Begegnungen mit Führungskräften, die aus vollem Herzen sagen: „Wir sind ein Team, ich muss mich 100 % auf meine Jungs und Mädels verlassen können – und die sich auf mich! Manches ist meinem Dienstherrn nicht genehm, aber ich muss mich morgens im Spiegel ansehen können, dafür muss ich halt noch etwas länger auf eine Beförderung warten…“
Interkulturelle Kompetenz – wenn manchen sog. Mentoren dies auch nach speziellen Lehrgängen völlig abgeht, indem sie sich nicht einmal dazu herablassen, mit den Afghanen einen grünen Tee zu trinken oder anstatt sich auf dem staubigen Boden mit ihnen in eine Runde zu setzen, lieber stehend „von oben herab“ kurze und knappe Anweisungen erteilen – Unterhaltung führt man mit diesen denn doch lieber nicht 😦 sind diese für mich völlig fehl am Platz, sie schaden mehr, als dass sie etwas tun.
Bildung kann man sich halt nicht nur anstudieren und hat diese auch lange noch nicht mit Erreichen einer Allgemeinen Hochschulreife. Verstand, Achtung vor dem Anderen und Herzensbildung, das macht einen wirklichen Menschen aus! Und deshalb sind diese nicht unwichtigen Faktoren auch beim „einfachen Soldaten“ zu finden, das zu begreifen, geht einem Vorgesetzten leider völlig ab!
@Klaus
„Verstand, Achtung vor dem Anderen und Herzensbildung, das macht einen wirklichen Menschen aus! “
Ich möchte das noch ergänzen um
Gesunden Menschenverstand
Damit lässt sich vieles vereinfachen und regeln, ohne 08/15 in Anspruch nehmen zu müssen. Das erfordert auch Flexibilität und Engagement der beteiligten. Und wie will man die Herzen der Afghanen gewinnen, wenn nicht durch persönlichen Kontakt und korrektes menschliches Miteinander ?
“Wir sind ein Team, ich muss mich 100 % auf meine Jungs und Mädels verlassen können – und die sich auf mich! Manches ist meinem Dienstherrn nicht genehm, aber ich muss mich morgens im Spiegel ansehen können, dafür muss ich halt noch etwas länger auf eine Beförderung warten…”
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Eine „Friedensarmee“ mit geregelten Arbeitszeiten und überschaubaren Entbehrungen unterscheidet sich nun mal Grundlegend von einer Armee im Einsatz. Und das schwächste Glied der Kette bestimmt die Leistungsfähigkeit des ganzen.
@StFwdR
Genau den hatte ich noch vergessen – den gesunden Menschenverstand! Am Mangel ebensolchen scheinen aber Viele erkrankt zu sein und die tragen den „Virus“ auch noch in die Einsatzgebiete! Leider ist diese „Viruserkrankung“ nicht zur Talibanbekämpfung geeignet, im Gegenteil, dieses Missverhalten spielt jenen auch noch in die Hände.
Tut gut, hier ab und zu auch Einen zu treffen, der scheinbar die gleiche Sprache spricht bzw. weiß, von was er spricht 😉
Hier noch ein kleiner Nachtrag vom „Weltspiegel“ vom 28.03.10:
Ein sog. gemäßigter Taliban sagt: Schickt die NATO nach Hause, schickt dafür zivile Aufbauhelfer und stellt das Geld, was Euer Militär kostet dem Aufbau zur Verfügung – dafür sorgen wir für de Sicherheit!
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=4084434
afghanistanblog
Zitat von TPz1A8:
In MEZ hatte die Registrierung von Fahrrädern Vorrang. Und in KDZ geht die Munition aus.
Zitat Ende.
Was für Geheimnisse sind denn das mit den „Fahrrädern“,
lieber afghanistanblog ?
Wenn hier genauso gemauert, geschwiegen und gelogen wird wie von der Regierung, erübrigt sich eigentlich alles.
Sollte das allerdings ein Witz sein, habe ich nichts gesagt.
Sotty.
Gisela…nicht die Fahrraeder!!! 😉
Muß natürlich : SORRY heißen!!!
@Gisela
beam me up 😉 🙂
@Klaus
„Gemäßigte Taliban“ ist wie schwanger ohne Sex!
Klares sprachliches Defizit des Begriffs „Taliban“.
Zeigt aber wie bei uns alles in einen Pott und dann vermischt wird.
Ansonsten frage ich mich, warum die ISAF nicht solche Projekte zustandebringt. 😦
afghanistanblog
Ach so, – verstanden — na dann danke ich doch schön.