Angeblich sehen wir hier die ersten Bilder nach dem IED Anschlag auf das BW-Fahrzeug von gestern im Distrikt Chara Darah nahe des Dorfes Isakhil Kallay. Dieses Video wurde bei Youtube gepostet, im Vorspann ist die Quelle der Nachrichtenagentur REUTERS genannt:
Frage an die Leser und Leserinnen: es ist schlimm genug, was wir gestern aus den Nachrichten erfahren mussten. Unser aller herzliches Beileid für die Hinterbliebenen der gefallenen Soldaten. Den Verwundeten wünschen wir rasche Genesung und eine gesunde Verarbeitung ihrer Erlebnisse Die Aktualität und die politische Debatte rund um den Kundus-Untersuchungsausschuss geben dem AFG-Einsatz eine bisher nicht dagewesene Aufmerksamkeit in den Medien. Doch ausser politischen Schlammschlachten passiert nichts. Meine Frage nun an Sie: möchten Sie hier jeden Drehung und Wendung über den gestrigen Vorfall lesen oder reicht es jetzt damit? Ich bin hin und her gerissen. Es ist schlimm genug, dass sich 200 Kämpfer um Kundus herum verschanzen können (wie ein Leser kritisierte). Das PRT ist eher mit dem Eigenschutz beschäftigt als mit allem anderen. Unsere Volksvertreter sollte unseren Soldaten mehr Handlungsfreiraum und ausreichend Material zur Verfügung stellen, damit die Aufgaben in diesen Zeiten „professionell“ erledigt werden können, aber das ist eben eine politische Entscheidung. Sollte dieses Thema nicht intensiviert werden?
Ich kann Ihre Zerrissenheit nachvollziehen.
Die Frage ist doch, was soll mit der Berichterstattung bezweckt werden?
Information?
– Das Weitertragen zumindest jeder neuen Information in geeigneter Form an die Öffentlichkeit.
Meinungsmache?
– Also nur das Veröffentlichen opportuner Informationen, welche dann auch noch durch entsprechende methodische Manipulation frisiert werden.
Reine Propaganda?
– Das Überhöhen der eigenen Position bei gleichzeitiger Erniedrigung der gegnerischen unter Zuhilfenahme sämtlicher Methoden inklusive der Unwahrheit.
Der deutschen (etablierten) Medienlandschaft sind die Punkte 1 und 2 zu zusprechen. Ebenfalls sind die Grenzen zwischen allen 3 Punkten fließend.
Ich persönlich würde mich nur mit Punkt 1 begnügen können, da ich mir eine eigene Meinung bei ausreichenden Informationen bilden kann.
Da sich dies allerdings nicht durchhalten läßt, sollte man die kurze mediale Aufmerksamkeit seitens der Regierung nutzen und nicht nur reagieren sondern in die (mediale) Offensive gehen, ganz nach dem Motto: „Jetzt erst recht!“
BTW:
Mein Beileid an die Familien der gefallenen Kameraden!
…also wollen Sie jetzt hier weiter informiert werden oder nicht? Wenn ich Sie richtig verstehe „ja“?
1.) Ereignisbezogene Berichterstattung so, dass der Leser persönliche Betroffenheit erfährt. Nur dann bleibt er beim Thema.
2.) Hintergründe aufzeigen, zur persönlichen Meinungsbildung transparent beitragen.
3.) Sensattionsgier aushebeln. An dem Bildervideo von Reuter ist nicht der ausgebrannte Dingo interessant. Interessant ist, dass man hier bestens Gesichter erkennen kann um die Burschen dingfest zu machen. Weiterhin ist interessant wieso wir es nicht hinbekommen den Aufständischen solche Bilder gar nicht erst zu ermöglichen. (Wenn Porsche es hinbekommt fast jeden verunfallten Porsche so schnell unsichtbar von der Strasse zu bekommen, um negative Schlagzeilen und Fotos über die eigene Marke zu vermeiden, dann sollten wir das auch mit nem zerstörten Dingo erwägen. Nicht weil wir was zu vertuschen hätten, nein, um den Gegener solche Propagandabilder zu verwehren!)
4.) Propaganda aushebeln. Bilderserien und Videos nur mit klar aufschlüsselndem Begleittext veröffentlichen. Motive die dahinterstehen aufschlüsseln, klar machen wem was nützt. Egal wem, Bundeswehr, Aufständischen, aber auch wenns nur dem eigenen Verlag, Medienhaus, oder dem Blogbetreiber nutzt. Das man sich das oft denken kann reicht nicht, weil das ohne explizite Nennung gegenüber der Macht der Bilder absäuft.
Berichterstattung über derartige Vorfälle ist und bleibt schwierig, weil jede mediale Aufmerksamkeit den Aufständischen in die Hände spielt. Aufmerksamkeit und Angst ist deren schärfste Waffe. Auch die Diskussion darum wie Medien damit umgehen gehört transparent in die Öffentlichkeit, nicht nur ins den Konferenzsaal der Redaktion.
Aktuelle Gedankenansätze dazu habe ich kürzlich hier gefunden:
http://carta.info/21368/komplizen-die-medien-und-der-terror/
Noch ein Gedanke: Warum gelingt es nur so schwer sicherheitspolitische Zusammenhänge zu visualisieren, egal , ob Film, Dokumentation, oder in Infografiken. Die immer gleichen Afghanistankarten und Powerpoint-artigen Bulletlisten in den Fernsehnachrichten tun da nichts – ausser Langeweile erzeugen.
Danke für die bisherigen Gedanken. Nun gibt es ja nicht mehr soooo viele sicherheitspolitische Blogs…leider…und die, die es noch gibt, schreiben irgendwie über die gleichen Themen. Habe leider keinen Überblick, was und wo meine Leser sonst noch lesen – habe nur manchmal das Gefühl, hintendran zu sein (man hat ja noch einen Hauptberuf, der viel Zeit in Anspruch nimmt) oder den einen oder anderen zu langweilen, wenn man die selben Youtube-Fundstücke o.ä. postet, die andernorts auch gebloggt werden.
Ansonsten: dieses Blog hier soll den Leser helfen, sich zu informieren, um sich dann eine eigene Meinung bilden zu können. Ich bilde mir ein, mit meiner Berichterstattung hier, nicht zum Medienmainstream zu gehören, sondern möchte die andere seite der Medaille aufzeigen: Perspektiven, eigene Erfahrungen, Menschen zu Wort kommen lassen, Desinteressierte interessieren…unterm Strich soll dieses Blog „betroffen“ machen, denn: Sicherheitspolitik geht jeden an in dieser Gesellschaft, nur haben es die Wenigsten bisher bemerkt….Bestimmte Videos zu posten, ist manchmal grenzwertig, weil sie ins Propagandahorn der Taliban oder Al Kaida stößt…für viele hat das auch etwas voyeristisches…da muss man immer überlegen, was das bringen soll. Aber dieses Phänomen gehört zur Lage dazu und jeder intelligente Bürger, der sich hier informiert, sollte das einschätzen können…wie gesagt: bin manchmal hin und her gerissen…
Nachtrag:
– Ja, weiter informieren!
– Diskussion über das wie und warum weiter fördern. Wichtig. Weil das bei Ihnen immer wieder einen Stellenwert bekommt lese ich hier. Gerne weiter so!
Auf jeden Fall weitermachen!
Fühlen sie den Verantwortlichen auf den Zahn. Nur kann ich nicht einschätzen wann die Kraft und die Möglichkeiten eines Journalisten ausgeschöpft sind. Offensichtlich aber sind wir nicht mehr in der Lage ohne die „vierte Gewalt“ im Staate eine angemessenene und nahe an der Wahrheit liegende Unterrichtung des Volkes vorzunehmen.
Insofern ist ihre Aufgabe weit mehr als „nur“ Berichterstattung. Das sollte so nicht sein, ist aber wohl die normative Kraft des Faktischen.
Danke. BTW: was machen die Vorbereitungen zum sicherheitspolitischen Grillen? 😉
Auch ich kann nur empfehlen weiter so intensiv zu berichten. Man kann sich ja aus verschiedenen Blogs Informationen holen, wenn man will.
Die „vierte Gewalt“ ist unheimlich wichtig in unserem Staat.
Man stelle sich vor wie die Aufarbeitung des Kunduz-Bombardements gelaufen wäre, ohne die Videoveröffenlichung auf „Bild“, oder ohne des Feldjägerberichtes auf „Wikileak“.
Leider ist es so, das die Regierung Propaganda gegenüber der eigenen Bevölkerung betreibt. Im Falle der Diätenerhöhung ist die Sache durchschaubar, beim Bundeswehreinsatz in AFG ist es schon sehr unübersichtlich. Also auf jeden Fall dranbleiben und weiterberichten. Eine Meinung kann man sich ja dann selbst aus den verschiedenen Quellen bilden, außerdem fällt die sowieso je nach persönlicher Voreinstellung unterschiedlich aus.
Auf jeden Fall weiter berichten. Auch wir Soldaten sind oft auf die Medien angewiesen. Wenn nicht gerade das eigene Batallion betroffen ist, dann bekommen wir unsere Nachrichten auch nur aus dem Internet. Mir persönlich hilft das, sich selbst ein realistisches Bild zu schaffen.
Woher soll die Öffentlichkeit sonst ihre Infos holen?
Klares Ja zum so Weitermachen!
——
Das heutige Fernsehprogramm besitzt übrigens einen gewissen Wert von Tragik-Komik.
– ARD, 23:40 Uhr – Wir waren Helden
http://www.tvspielfilm.de/tv-programm/sendung/wir-waren-helden,107003909380.html
– ZDF, 00:00 Uhr – Flags Of Our Fathers
http://www.tvspielfilm.de/tv-programm/sendung/flags-of-our-fathers,107004013928.html
Sie sollten unbedingt so weitermachen. Gerade in solch einem Konflikt ist es wichtig auch die Ansichten der Gegenseite wiederzugeben.
Im übrigen betreiben auch die deutschen Medien Propaganda. Wenn Aufständische, die Bundeswehrsoldaten töten, unkritisch als Terroristen bezeichnet werden, wie in der Bild-Zeitung, ist dies auch wahrheitswidrig. Aus Sicht der Aufständischen sind Bundeswehrsoldaten legitime Ziele.
Am Störendsten und Propaganda pur ist jedoch nach wie vor die Verharmlosung des afghanischen Bürgerkriegs als „robuster Einsatz“ oder „kriegsähnlicher Zustand“ von offizieller Seite. Dies ist Orwellsches Neusprech in Reinstkultur! Und behindert jedliche unvoreingenommene politisch-militärische Analyse. Eine Spur Unvoreingenommenheit a la General Stanley A. McChrystal täte auch Deutschen Politikern, Medien und Bürgern gut.
General McChrystal: „Wir haben eine erstaunliche Menge von Leuten erschossen, die keine Bedrohung darstellten“
http://tpmmuckraker.talkingpointsmemo.com/2010/04/gen_mcchrystal_weve_shot_an_amazing_number_of_peop.php?ref=fpblg
Weitermachen!
Anscheinend verdient sich jemand im Verteidigungsministerium ein Zubrot, indem er die BILD-Zeitung zum Kunduzvorfall und auch jetzt wieder mit nicht öffentlichen Dokumenten versorgt.BILD zitiert daraus:
http://www.bild.de/BILD/politik/2010/04/03/afghanistan-kunduz-kopfverletzungen-rettungshubschrauber/das-protokoll-der-schwersten-schlacht-der-bundeswehr-gegen-taliban.html
Ganz generell wünsche ich mir eine Berichterstattung, in der Genauigkeit vor Schnelligkeit steht. Lieber einen Tag mehr Recherche als ungare Halbwahrheiten verbreiten.