Leider konnte ich die Treuerfeier heute selber nicht mitverfolgen, weil ich dienstlich auf dem FDP-Bundesparteitag arbeiten musste. Die offizielle Schweigeminute dort habe ich ja im letzten Post hochgeladen. Eine für mich sehr bewegende Geste der Delegierten. Tat irgendwie gut – und war irgendwie eine Form der Aufmerksamkeit. Zum persönlichen Gedenken habe ich die obige Kerze angezündet – meine Art der Anteilnahme. Es ist schon bitter: der gefallene Oberstabsarzt verlegte eigentlich nur für vier Wochen nach Feyzabad. Der in Mainz studierte Dermatologe war eigentlich nicht für den „Beweglichen Arzt Trupp“ (BAT) vorgesehen, sondern ist „nur“ für einen erkrankten Truppenarzt in den Einsatz kurzfristig eingesprungen. Daheim hat er eine schwangere Frau. Schrecklich. Wie sagte doch ein Bürgermeister aus dem Dorf einer der Gefallenen am Rande der Trauerfeier in Ingolstadt: „Ich hätte nie gedacht, dass wir an unserem Kiegerdenkmal nocheinmal einen Namen einfügen müssen.“ Eine völlig neue Realität nach 65 Jahren Kriegsende. Und VM zu Guttenberg erwähnte heute in seiner Trauerrede, dass es eine neue gewöhnungsbedürftige deutsche Realtität sei: Deutsche Soldaten werden auch künftig in ihren Auslandseinsätzen mit Tod und Verwundung konfrontiert, nicht nur in Afghanistan, meinte er heute sinngemäß im Fernsehen. Wenn wir an unsere Gefallenen denken, werden sie weiterleben…in unseren Herzen – ich finde das hat Anstand, egal, ob man für oder gegen diesen Einsatz ist. Diesen Respekt haben sich m.E. nach alle Soldaten verdient, die in Afghanistan dienen. Und das meine ich nicht, weil ich „irgendwie“ (auch) betroffen bin, sondern, weil es ein Akt der Menschlichkeit und Teil einer guten Erziehung ist. Ich verneige mich innerlich vor den Menschen, von denen wir heute Abschied genommen haben. Ich werde weiter versuchen, soviel Menschen wie möglich zu sensibilisieren, damit Ihr Euer teuerstes Gut – Euer Leben – nicht umsonst hergegeben habt…
Bitte haben Sie verständnis, dass ich jetzt zu später Stunde keine Links mehr nachposte – ich denke Sie haben sich schon intensivst über das Geschehene zur Trauerfeier informiert. Morgen werde ich alles weitere nachliefern und Berichte von interessanten Erkenntnissen des heutigen Tages in Köln berichten…Wenn irgendjemand einen Link entdeckt, unter dem man die Trauerfeier nocheinmal gucken kann, bitte hier posten, ich werde ihn dann morgen noch als seperaten Post für alle hochladen. Danke.
Auszüge aus zu Guttenbergs Trauerrede:
«Nichts in der Welt macht hilf- und sprachloser als der Tod. Und nichts, wirklich nichts, stünde dem privaten Menschen Karl-Theodor zu Guttenberg weniger zu als zu dem Tod der vier gefallenen Soldaten überhaupt Worte zu finden. Worte, die auch nicht wirklich trösten könnten, doch aber Worte, die gefunden werden müssen, da ich durch mein Amt persönlich als Verteidigungsminister, als Regierungsmitglied und Parlamentarier Verantwortung für Ihre Trauer trage. (…)
Wie groß diese Trauer ist und die Schmerzen sind, lässt sich nur von jenen ermessen, die wissen, was es bedeutet, einen geliebten Menschen zu verlieren. (…) Gerade erst, vor zwei Wochen, standen wir erschüttert, nun wieder. Die Osterwoche, nach einem entsetzlichen Karfreitag, sollte Hoffnung geben. Ist diese Hoffnung mittlerweile im Ingolstädter Münster zerrissen? Nein! Thomas Broer, Jörn Radloff, Marius Josef und Josef Kronawitter starben nicht allein für eine zerstörte Hoffnung, sondern für die Gewissheit, ihre und unsere Freiheit, das Leben unserer geborenen wie ungeborenen Kinder, unserer Familien zu schützen. Auch und gerade in Afghanistan. (…)
Verehrte Trauergemeinde, nach den Gefechten vom 15. April und vom Karfreitag ist deutlich geworden, was wir vielleicht zulange nicht wahrhaben wollten: Tod und Verwundung sind Begleiter unserer Einsätze geworden. Und sie werden es auch in den nächsten Jahren sein. Und nicht nur in Afghanistan. Und dies verpflichtet uns daher besonders, diese Einsätze, Tod und Verwundungen in unserem Denken niemals, wirklich niemals zur Routine werden zu lassen. (…)
Die Gefechte vom 15. April nahe Baghlan haben uns erneut drastisch vor Augen geführt, wie gefährlich der Einsatz in Afghanistan ist. Unsere Soldaten wissen um die Gefahren im Kriegsgebiet. Sie erfüllen ihren Auftrag dennoch unerschrocken, pflichtbewusst, verantwortungsvoll und tapfer. Unsere Zusage an das afghanische Volk gilt. Wir wollen dieser geschundenen Nation helfen, ihr Land zu befrieden und dies dient unserer eigenen Sicherheit. Wie eng wir miteinander verbunden sind, zeigt die heutige Anwesenheit von Außenminister Salmai Rassul. (…)
Es mögen im 21. Jahrhundert immer noch viele nicht hören, aber es stimmt: Dass in Afghanistan für unser Land, für dessen Menschen, also für jeden von uns, gekämpft und gestorben wird. Frau Bundeskanzlerin hat dies für die Bundesregierung eindrücklich am vergangenen Donnerstag gesagt. Aber keine politische Verantwortung kann den Schmerz jener bemessen, denen ein Geliebter für immer entrissen wird. Sie wird ihre Verantwortung jedoch immer auch an diesem, Ihren Schmerz, liebe Angehörige, messen müssen. Und mit politischer Verantwortung hat man Sie, verehrte Angehörige, auch um Verzeihung zu bitten. Entschuldigung wäre wohl ein unangebrachtes Wort, da Schuld und die Fähigkeit zu zweifeln mit Verantwortung einhergehen. (mehr bei zeit.de)
Der Link wurde schon in deinem Trauerfeierbeitrag angegeben von Anna Nym.
1.
am 24. April 2010 um 14:49 | Antworten Anna Nym
Der Bayrische Rundfunk hat die komplette Trauerfeier in seine Mediathek eingestellt (üblicherweise für 7 Tage abrufbar): http://mediathek-video.br-online.de/o16/br/b7/player/public/b7mediathek.html?bccode=both , dann nach “Deutschland nimmt Abschied” suchen (Flash-Anwendung, kein Link). Hintergrundberichte: http://www.br-online.de/aktuell/trauerfeier-ingolstadt-soldaten-ID1271833952421.xml
Danke Stefan…jetzt habe ich es gefunden…
„ein Bürgermeister aus dem Dorf einer der Gefallenen am Rande der Trauerfeier in Ingolstadt: “Ich hätte nie gedacht, dass wir an unserem Kiegerdenkmal nocheinmal einen Namen einfügen müssen.” Eine völlig neue Realität nach 65 Jahren Kriegsende. „
Den gleichen Gedanken hatte ich vorgestern auch: Werden nun in den Kirchen und an den Gedenksteinen der betroffenen Gemeinden die Tafeln mit den Namen der Gefallenen 1914-18 und 1939-45 erweitert?
Ich bin sehr froh darüber, mit zu Guttenberg jemanden an der Spitze des Verteidigungsministeriums zu wissen, der authentisch wirkt und dessen Worte sehr gut gewählt sind. In diesen Tagen und besonders in diesen schweren Momenten.
Der Verteidigungsminister fand – wie „leider“ schon zwei Wochen zuvor auch – sensible und persönliche Worte. Er hat den gefallenen Soldaten „ein Gesicht“ gegeben!
Er sprach vorsichtig auch „unbequeme Wahrheiten“ an und griff auch die bereits zuvor von der Geistlichkeit in der Trauerfeier angesprochene Sinnfrage auf. Seine Aussage: „sie (die Sinnfrage) und warum deutsche Soldaten dafür ihr Leben lassen, steht weiter im Raum…“
Nein, lieber Herr zu Guttenberg, sie darf nicht weiter im Raum stehen, sie muss beantwortet werden – und zwar nicht nur von Ihnen, sondern von den politisch Verantwortlichen, den von uns gewählten Damen und Herren Volksvertretern des deutschen Parlamentes und selbstverständlich auch von der deutschen Regierung!
Auf diese „Sinn“-(Er)klärung haben die Bevölkerung und die SoldatInnen und ihre Familienangehörigen ein Recht.
„Betroffenheit“, die wir alle empfinden, wenn Soldaten im von der Fahne/Flagge der Bundesrepublik Deutschland bedeckten Sarg nach Hause kommen, sagt uns: Ja, wir sind „betroffen“, auch betroffen von der Verantwortung, die diese Volksvertreter letztlich treffen – wir können nicht so tun, als ging es uns alle nichts an!
Beim Anblick dieser Trauerfeiern schlagen in meiner Brust zwei Herzen.
Ich finde es sehr gut, dass der Minister und auch die Bundeskanzlerin endlich versuchen sich in die Soldaten einzudenken und versuchen mitzufühlen.
Gleichzeitig werden mittlerweile gebetsmühlenartig die gleichen Aussagen zum Durchhalten getätigt, ohne sie mit Argumenten zu untermauern.
Es bringt nichts von der Verteidigung der deutschen Sicherheit am Hindukusch zu sprechen, wenn keine Beweise für deren Bedrohung geliefert werden.
Die Sinnfrage, wofür diese Opfer in AFG, die auch vom katholischen Generalvikar auf der Trauerfeier gestellt wurde, muss endlich nachvollziehbar vom Parlament beantwortet werden.
Sie sind schließlich der Auftraggeber und nicht die Regierung und sie müssen glaubwürdige, für die Bevölkerung verständliche und nachvollziehbare Begründungen liefern.
Ansonsten wird es nicht mehr allzuviele Trauerfeiern ohne Konsequenzen für den AFG-Einsatz geben, denn die Aussagen der Politiker auf diesen Feiern nutzen sich allmählich ab.
Dem, was Helga und Georg schrieben, habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen –außer vielleicht noch einer Perspektive.
Heute wird in Australien und Neuseeland der ANZAC Day begangen (Gedenktag für die Veteranen der Kriege). Von einer australischen Freundin bekam ich zu dem Anlass einen Liedtext von Eric Bogle geschickt.
Auszug:
„And the Band played Waltzing Matilda
When they carried us down the gangway
Oh nobody cheered, they just stood there and stared
Then they turned all their faces away
Now every April I sit on my porch
And I watch the parade pass before me
I see my old comrades, how proudly they march
Renewing their dreams of past glories
I see the old men all tired, stiff and worn
Those weary old heroes of a forgotten war
And the young people ask „What are they marching for?“
And I ask myself the same question „
„And The Band Played Waltzing Mathilda“ (Song über die Schlacht von Gallipoli ).
Hier als YouTube-Video.