Lieber Herr zu Guttenberg,
heute schreibe ich Ihnen einen Brief, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht – mich können Sie nicht entlassen! Außerdem meine ich es auch nur gut mit Ihnen, weswegen ich Ihnen wärmstens ans Herz legen möchte, Ihre Gattin doch einmal wieder zu einem “Dinner for two” einzuladen oder einen langen Spaziergang mit ihr zu unternehmen und ihr dabei wieder einmal zuzuhören.
Am Donnerstag letzter Woche durfte ich nämlich wie viele weiterer Millionen Zuschauer Ihrer Gattin Stephanie in der Sendung “Maybritt Illner” lauschen, die sich als Präsidentin von “Innocence in Danger” (ein Verein, der sich gegen sexuellen Missbrauch bei Kindern einsetzt) bitter über die Politik und damit auch die Politiker beklagte, die nicht zuhören und keine Initiative zeigen würden, so sehr man sich auch darum bemühe.
“Die Politiker”, lieber Herr zu Guttenberg, auch Sie sind ein Teil derer, die nicht zuhören – scheinbar nicht einmal Ihrer Ehefrau. Falls doch, scheinen Sie Ihre Informationen jedoch nicht verantwortungsbewusst weiterzugeben. Schade, so entgehen Ihren Kolleginnen des Justiz- und Familienressorts wichtige “Insider-Kenntnisse.” Fatal, wenn beide Damen eines Tages gestehen müssten, “dies entzog sich meiner Kenntnis, diese Informationen hat man mir unterschlagen bzw. vorenthalten…”
Immerhin rudern Sie jetzt täglich, rechtzeitig vor der Aussage des ehem. GI Schneiderhans vor dem Untersuchungsausschuss, von Ihrer „Einschätzung“ die beiden Herren betreffend, zurück.
Lieber Herr zu Guttenberg, leider haben Sie aus den verbalen Ausrutschern in den ersten Tagen Ihrer Tätigkeit als Verteidigungsminister nichts gelernt. Es reicht nicht, Generalinspekteure und Staatssekretäre zu entlassen, die Ihnen bewusst oder unbewusst (oder vielleicht auch gar nicht) Informationen und/oder Dokumente zu spät oder überhaupt nicht vorgelegt haben. Man muss auch zuhören wollen und können und sich nicht nur berichten lassen, wie Sie es jetzt erneut getan haben.
Ihnen reichen Empfindungen und Einschätzungen des Vorgesetzten von General Hars und Ihres Staatssekretärs, anstatt mit dem “Angeklagten” selbst unter vier Augen zu sprechen. Vielleicht hätten Sie auf diesem Wege wichtige und “unbequeme Wahrheiten” erfahren können, und hätten nicht eines Tages wieder sagen müssen: Dies entzieht sich meiner Kenntnis. Übrigens: Auch General Ramms wartet immer noch auf ein Gespräch mit Ihnen sowie Ihrer “Chefin” – auch seine Einschätzung und Meinung geht Ihnen Beiden sonst wie “vorbei.” Irgendwie hat doch das Ganze Methode, oder meinen Sie nicht?
Ich möchte ja gerne Verständnis für Sie aufbringen und frage mich, warum Sie so handeln? Für mich ist Wissen auch eine Holschuld – immerhin muss “Volk” dies auch tun, damit es überhaupt angedeutete Wahrheiten erfährt
Menschen, die “lieber nicht wissen wollen” und konstruktive Kritik sowie Auseinandersetzungen meiden, sind schwache Menschen. Vorgesetzte, die unbequeme Mitarbeiter ohne Gelegenheit zu einem klärenden Gespräch entlassen, sind schlechte und schwache Vorgesetzte, die gleichzeitig Signale an die gesamte Belegschaft aussenden: Wage sich nur niemand, hier etwas gegen die Firma oder die Führung zu sagen, sonst…
Lieber Herr zu Guttenberg, noch leben wir in einer Demokratie, dies sollte auch beim Adel im Jahr 2010 angekommen sein, und auch ein Staatsbürger in Uniform hat das Recht, sich am “innerbetrieblichen Vorschlagswesen” zu beteiligen. Immerhin hat General Hars dies nicht in aller Öffentlichkeit getan, sondern hat sich direkt an Sie gewandt. Er hat also die Spielregeln eingehalten und Sie? Sie haben Ihre „Fehleinschätzungen“ immer und immer wieder in allen Ihnen zur Verfügung stehenden Medien, u. a. auf Ihrer „Talkshow-Tournee“, unters Volk gebracht.
Sie haben dem Ansehen Deutschlands und der Demokratie geschadet, indem Sie wie im Mittelalter Leute “mundtot” machen – bewusst ziehe ich hier keine anderen Vergleiche aus der jüngeren Vergangenheit.
Sie haben das Militär und die Generalität vorgeführt, lieber Herr Verteidigungsminister – sie verletzen SoldatInnen in ihrer Ehre, indem Sie nicht nur persönlich deren fachliche Einschätzung ignorieren, sondern auch der Truppe und der Gesellschaft ein Bild der „Trottel-Armee ohne Hirn und ohne eigene Meinung“ vermitteln. Ein Verteidigungsminister, der solch eine Vorgehensweise an den Tag legt, steht weder hinter noch vor seinen SoldatInnen!
Ich möchte der Generalität i. D. und a. D., die noch Würde und Mut besitzen, raten: “Rotten” Sie sich zusammen – nur gemeinsam ist man stark – und “kämpfen” Sie für Ihre Kameraden “ganz oben” und “ganz unten.” Stehen Sie nach dem Motto “einer für alle, alle für einen” untereinander ein und setzen Sie Zeichen. Der Verteidigungsminister kann ja schließlich nicht alle Generäle entlassen…;-)
Lieber Herr zu Guttenberg, Ihre “untergebenen SoldatInnen” werden Ihren Umgang mit den KameradInnen und die Zivilcourage der militärischen Führung sehr genau beobachten.
Wenn Sie alle (VT und militärische Führung) diesen Mut, einerseits Wahrheiten und Kritik anzuhören, und andererseits sich seine demokratischen Grundrechte zu bewahren, nicht besitzen, werden Sie sich eines Tages fragen müssen, warum Ihre SoldatInnen Ihnen nicht mehr motiviert folgen bzw. auch Sie in Frage stellen. Lt. Spiegel lästerte ein hochrangiger Offizier: „Wer ins Gefecht zieht, wie ein aufgescheuchtes Huhn, der wird erschossen.“ Dann halten Sie mal Ihren Kopf schön niedrig, Herr zu Guttenberg!
Und “Lieschen Müller” sollte sich fragen, ob wir diesen “Unsinn” von “Feudal”-Ministern – immerhin ist das “Entlassen durch den Bundespräsidenten” von unliebsamen Leitungsmitarbeitern in allen Ressorts an der Tagesordnung “ohne Angabe von Gründen” (warum wohl? Bereits das falsche Parteibuch reicht aus) – einfach so hinnehmen und weiter finanzieren wollen. Immerhin gehen jetzt dem deutschen Staat ca. 10 Jahre Erfahrung und Dienstfähigkeiten eines deutschen Generals verloren, dessen nicht unerhebliche Pension, die ihm selbstverständlich zusteht, wir Steuerzahler bezahlen. Aber diese “Ressourcenverschwendung” wird ja millionenfach täglich begangen, da kommt es auf einen mehr oder weniger immerhin auch nicht mehr an, nicht wahr?
Lieber Herr zu Guttenberg, ich frage mich jetzt besorgt:
Reichen Sie jetzt Ihre Scheidung von Ihrer Gattin Stephanie ein, weil sie in aller Öffentlichkeit vor Millionen Zuschauer Kritik an ignorierenden Politikern geäußert hat und damit eben auch an Ihnen?
Ab und an sollte man auch seiner Ehefrau einmal zuhören und ihr Glauben schenken – Sie wissen doch, hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau.
Aber so, wie Sie handeln, sind Sie von einem eben solchen noch einige Hektar Land entfernt – also einfach mal Ihre “freiherrlichen” Lauscher aufstellen und “selbst hören.” Dann wird es vielleicht – jung genug sind Sie ja noch – auch einmal etwas mit Ihrer Stärke!
Und: “Lieschen Müller” interessiert weniger § 50 Soldatengesetz oder § 36 Bundesbeamtengesetz – sie will Wahrheiten und anständigen menschlichen Umgang in einer täglich unmenschlicher werdenden Republik.
Helga D.