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Von Lastenteilung und Materialdebatten…

Achtung: nun kommt ein langer Riemen!! Liegt mir schon seit Tagen auf der Zunge und muss nun endlich mal raus. Wünsche gutes Durchhaltevermögen und eine sachliche und erhellende Diskussion.

Ist Kundus nicht nur der Mirkokosmos dessen, was in Kandahar oder andernorts in Afghanistan passiert?  Oder kann man diese Hotspots nicht miteinander vergleichen? Die Medien und wir leisten uns eine Materialdebatte um Panzerhaubitzen und Leoparden, weil sich die Sicherheitslage in Kundus verschlechtert hat (ohne  dass wir vielleicht die Gesamtzusammenhänge  dafür kennen und deshalb nur erahnen können). Diskutieren wir aus der zu deutschen Perspektive? Immerhin sind 42 Nationen in Afghanistan, die für ISAF azusammenarbeiten. In diesem Post will ich einfach mal laut nachdenken und möchte diese Gedanken zur Debatte stellen. Laut denken soll einfach nur heissen: das bisher diskutierte und in den Medien gelesene zu ordnen, zu analysieren und in einem anderen Blickwinkel erscheinen zu lassen. Zuvor noch ein paar zusammengefasste Punkte, damit  der Kontext dieser Gedanken der Gemengelage Afghanistan  sich auch dem Nicht-Militär und dem nicht so sicherheitspolitisch Informierten erschließt:

Grundlegendes (vorweg) zusammengefasst

1. Gesamtsituation: Dass es in der Provinz Kundus über kurz oder lang zu Übergriffen kommen würde, wissen wir schon seit Jahren.  Dies  sei Teil einer Taliban-Strategie, die  seit Herbst 2008 sogar in den Medien diskutiert wurde. Das örtliche PRT (Provincial Reconstruction Team) wurde früher immer gerne als Bad Kundus bezeichnet – als den gemütlichen Hort uniformierter Brunnenbauer und Wiederaufbauhelfern…als die deutsche ISAF-Welt medial noch in Ordnung war. Gleiches gilt immer noch für das PRT Feyzabad, das allerings im worst case Fall wegen mangelnder Luftransportkapazitäten schwer evakuierbar sein soll – zumal die ansässigen Warlords Uniformierte bisher noch dulden. Die Insurgent-Tätigkeiten um beide PRTs herum sind stabil.  Die Landwege nach Nord-Waziristan/Pakistan, wo die eigentlichen paschtunischen Stammesgebiete liegen, sind von ISAF kaum beherrschbar. Das Regional Command North (RC North) in MeS (Mazar-e Sharif/Grab des Edlen) liegt in der bisher ruhigsten Provinz Afghanistans: in  Balkh. Der Provinzgouverneur Ustad Mohammad Atta Noor gilt als schlitzohriger Stratege und er ist ein nicht zu unterschätzender Globalplayer im Norden Afghanistans (sogar mit Ambitionen, irgendwann die Präsidentschaft in Kabul übernehmen zu wollen). Er versteht sein Spiel zwischen Zuckerbrot und Peitsche, um seine eigenen Machtinteressen geschickt unter den verschiedenen ISAF-Nationen auszuspielen.

2. Neue Strategie: Nach der Londoner Afghanistan-Konferenz bereitet sich die NATO und die ISAF Nationen auf ein neues Afghanistan-Konzept vor. Die Amerikaner wollen sogar ab Sommer 2011 mit einem spürbaren Truppenabbau beginnen und wollen die ersten Verantwortungsbereiche wieder in afghanische Hände übergeben. Auf dem Weg dahin soll das Partnering-Konzept greifen: mehr Präsenz in der Fläche zeigen und gemeinsam mit afghanischen Truppen den Gegner bekämpfen (Taliban?, Al Kaida?, Drogenbarone?, Kriminelle? oder welche Insurgents auch immer…) ISAF Kommandeur McChrystal hat betont, dass es anfangs zu  höheren Verlusten kommen werde , aber langfristig sei dieses Konzept die Basis für ein neues afghanisches Sicherheitsfundament. Hearts and Minds sollen nach wie vor in der afghanischen Bevölkerung erobert, das Vertrauen der afghanischen Gesellschaft zurückerobert werden. Das RC North wird zu einem 2-Sterne HQ (Headquarter) umstrukturiert und wird künftig von einem Generalmajor geführt. Geschätzte 5000 bis 6000 amerikanische Soldaten sind bereits nach den neuen Obama-Offensive im RC North stationiert und bringen schweres Material mit.

3. Deutsche Lage:  Seit dem Tankalster-Bombardement vom 4. september 2009 bei Kundus steht der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr in einem bisher noch nie dagewesenen Fokus der medialen Öffentlichkeit. Ein Untersuchungsausschuss soll die Umstände dieses Vorfalles klären und mutiert zu einer parteipolitischen Schlammschlacht. Zuvor waren ein Verteidigungsminister, ein Generalinspekteur und ein Staatssekretär zurückgetreten. Die Anschläge gegen deutsche Soldaten nehmen zu. Die Taliban rüsten auf und verpflichten tschetschenische Söldner, die hohe Abschussprämien kassieren und die sich vor dem Gefecht mit Adrenalin vollpumpen. Deutsche Soldaten liefern sich letzten Sommer die ersten mehrtägigen Gefechte mit den Taliban, da war das Guttenberg´sche K-Wort noch nicht geboren – viele hatten es aber schon in ihren Köpfen.

4. NATO Lage:  42 ISAF Nationen engagieren sich in Afghanistan. Deutschland ist nach den USA und Großbritannien die drittgrößte truppenstellende Nation und stellt die Führung des Veranwortungsberiches RC North. Insgesamzt gibt es vier (bzw. fünf) RCs: den Norden (Deutschland),  den Süden (Canada),  den Westen (Italien), den Osten (USA) und das RC Capital Kabul (Frankreich). Das ISAF Headquarter (HQ) Kabul ist die Schaltzentrale des gesamten Einsatzes der ISAF Truppen in Afghanistan und koordiniert in Absprache mit den RCs das Vorgehen und die Strategie in der Fläche, wobei aber jedes PRT je nach Lage am Ort selber entscheiden kann. Dazu kommen andere PRTs in den einzelnen RCs, die unter der Führung anderer Nationen stehen. Die Leadnation im HQ Kabul ist seit 2007 Amerika unter der Führung vom COM ISAF:  z.Zt. General McChrystal. Über dem COM ISAF steht das JFC (Joint Force Command) Brunssum, Vier-Sterne General Egon Ramms (deutsch). Darüber  der Supreme Allied Commander Europe (NATO SHAPE) in Mrons,  US-Admiral James Stavridis. In dieser Struktur wird versucht – zusammen mit allen 42 Nationen – die Sicherheit und Stabilität Afghanistans wieder aufzubauen. Wobei zu bemerken ist, dass viele dieser Nationen verschiedene nationale Einsatzregeln (Caveats bzw. ROEs – Rules of Engagements) haben. Deutschland hat seine ROEs erst im letzten Sommer der neuen Lage in im RC North angepasst. Laut Taschenkarte darf ein Soldat auch auf einen Angreifer schießen, wenn er seine Stellung wechselt (bzw. sich wegbewegt, das durfte man vorher nicht). Insofern hat sich die Rechtssicherheit für einen deutschen Soldaten im Einsatz ein wenig verbessert.

5. Deutsche Medien Lage: Die mediale Wahrnehmung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr ist seit des Tanklaster-Bombardements von Kundus eindeutig grösser geworden. Nicht zuletzt durch die Ereignisse des Karfreitages, bei denen Soldat 37, 38 und 39 gefallen sind, scheint der „Break-even-Point“ eine langsam ansteigenden Wahrnehmungswelle erreicht zu sein. Doch wie an der Börse, kann eine solche Kurve auch wieder fallen. Wenn man sich durch den Blätterwald und den Fernsehdschungel schlägt, gibt es viele gute Gründe, unsere Soldaten aus Afghanistan abzuziehen: es fallen Staatsbürger in Uniform, die zu schlecht ausgerüstet und ausgebildet seien, die noch nicht einmal wüssten, warum sie eigentlich in Afghanistan seien und die sich nicht in einem Wiederaufbaueinsatz sähen, sondern in einem Krieg. Die Lage ist nicht mehr ruhig und stabil. Die Argumente eines „Für & Wider“ des deutschen Engagements am Hindukusch konterkarieren sich: angeblich sind über 70 Prozent der deutschen Bevölkerung gegen den Afghanistan-Einsatz, andererseits geben nach der jüngsten sozialwissenschaftlichen Studie der Bundeswehr 47 Prozent der Befragten an, noch nie etwas über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gehört oder gelesen zu haben. Irgendetwas kann in dieser Gleichung nicht stimmen. Vergleicht man nun die Anschlagzahlen auf die Bundeswehr im RC North mit den der anderen Regional Commands, kann man behaupten, dass der Norden als so sicher gilt, dass man ihn schon fast an die afghanische Regierung „zurückübertragen“ könnte. Stürzt sich nun die geballte Kraft deutscher Medien auf die verhältnismäßig geringe Anzahl der Anschläge auf die Bundeswehr, wird ein Bild vermittelt, dass so einfach nicht stimmt: Kriegsszenarien und Apokalypse. Kein Wunder, wenn in der Heimat dann eine Ausstiegsdebatte geführt wird. Es gibt so viele Erfolge, die bereits in Afghanistan erreicht worden sind, über die aber niemand berichten möchte. Und schließlich sind wir in diesem Land auch dazu angetreten, den Menschen, den Afghanen, zu helfen. Mitnichten haben wir unsere Ziele bisher erreicht, die wir uns in Afghanistan gesetzt hatten – das ist noch ein weiter Weg. Doch die Erfolge, die wir bereits hatten, werden nicht in die Waag-Schale der Medien gelegt, um ein authentisches Bild dieses Landes und des Einsatzes zu zeichnen. Die Ring-Road ist fertig – klar: immer noch umgekämpft, weil auch der Gegner sie benutzt und strategisch stören will. Ein Staudammprojekt im Westen des Landes wird mehr Strom bringen. Es gründen sich seit langem erste afghanische Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und damit Familien ernähren, die nicht mehr als Taliban-Wochenendkämpfer tätig werden müssen. Die Informationsstruktur des Landes verbessert sich immer schneller. Diverse Internetunternehmen ermöglichen einem Großteil der Bevölkerung eine freien Zugang zu Informationsquellen, immer mehr Kinder können die Schule besuchen, lernen lesen und schreiben. Gerade dort liegt die Zukunft des Landes. Es ist (auch) ein Krieg um Bildung in Afghanistan.

Achtung: jetzt geht es eigentlich erst los 😉

6. Laute Gedanken: Nach den Vorfällen am Karfreitag eskaliert die öffentliche Diskussion – zumindest unter den Interessierten – um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Schnell bringen die Medien die mangelnde  Materialausstattung und Ausbildung der Bundeswehr auf den Tisch. Panzerhaubizen, Leopard 2 Panzer und viele andere  schwergewichtige Dinge werden von den einen gefordert, weil wir jetzt in einem kriegsähnlichen Zustand operieren – auch gerade hier im Blog – und von den anderen abgelehnt. Ob und was wirklich gebraucht wird, vermag ich nicht zu beurteilen, weil ich kein gewachsener Militärstratege, sondern „nur“ Journalist, der aber dreimal als Reservist im Einsatz war und die Gemengelage am Ort kennt. Folgende Gedankengänge also:

a) Ja, die Sicherheitslage in Kundus hat sich verschlechtert. Angeblich kann das PRT sich nur in einem kleinen Radius aus dem Feldlager heraus frei bewegen. Die Fläche dahinter ist von den Taliban und Terroristen „besetzt“. Wie kann man diesen Raum nun eigentlich „zurückgewinnen“? In Fernsehen bestaunen wir überrascht die „Afghanistan Lüge“ und den Kampf um die Höhe 431. Doch was bringt dieser Kampf uns eigentlich? Ist dieser Posten strategisch wichtig, dass wir ihn halten müssen? Wenn ja, wie können wir ihn halten? Welche Vorteile ergeben sich daraus? Nur einige hundert Meter Luftlinie befindet sich das nächste Taliban-Dorf, Späher erkunden jede Nacht die Lage. Würden Kampfpanzer als Show of Force die Taliban tatsächlich einschüchtern? Kritiker meinen, dass ein Panzer technisch nicht für einen solchen Einsatz geeignet sei (fehlende Klimaanlage, viel zu schwer für Brücken, die Soldaten würden dort nicht mehr aus ihm heraus kommen, man will sich ja eigentlich in der Bevölkerung zeigen! etc.pp) Warum können aber die Holländer den Leo 2 einsetzen und welche Vorteile haben sie dadurch erzielen können? Was können wir daraus lernen? Oder ist unsere politische Führung immer ncoh unwillens, sich einer „neuen“ sicherheitspolitischen Lage anzupassen? Oder können wir uns die Materialdebatte sparen, weil ja jetzt die Amerikaner im Norden sind und entsprechendes Material mitbringen? Schließlich ist es ja kein rein deutscher Einsatz in Afghanistan, sondern der von 42 Nationen?! Müssten wir nicht den Raum, den wir gewinnen, halten und präsent in der Fläche bleiben? Haben wir dafür genug Soldaten, Material und Geld?

b) In der ganzen Materialdebatte diskutiert jeder aus seinem Blickwinkel. Ich gestehe ein, dass die Bedürfnisse eines QRF-Kommandeurs ganz andere sind als beispielsweise die eines landeskundlichen Beraters. Brauchen wir nicht ein (neues) Gesamtkonzept, das sich sowohl mit den Heart & Minds als auch mit der neuen Sicherheitslage beschäftigt? Müssen wir nicht kämpfen UND reden? Wenn die neue Afghanistan-Strategie Partenering heisst, dann ist das eine irreführende Begrifflichkeit. Partnering = mit afghanischen Soldaten in die Fläche gehen und kämpfen = mehr zu erwartene Gefallener (nicht nur deutscher, sondern auch der anderen 41 ISAF Nationen). Ich glaube, das ist in der Öffentlichkeit noch nicht konsequent  kommuniziert worden (vielleicht haben es aber viele Berichterstatter noch nicht verstanden).

c) Unsere Bundeskanzlerin musste sich angeblich überreden lassen, auf der Trauerfeier am letzten Freitag zu erscheinen, berichteten einige Medien. Ob das wirklich so war, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Natürlich hat sie damit einige (hoffentlich) Signale gesendet. Sie hat sich geäußert, bekannt und will sich nun persönlich für eine Überprüfung der richtigen Ausrüstung der Soldaten einsetzen, aber eine öffentliche Dabatte darüber möchte sie nicht führen. Hat sie sich jetzt nicht in eine politische Zwickmühle gebracht? Warum erschien sie ausgerechnet jetzt auf dieser Trauerfeier? Warum war sie nicht auf den vergangenen, fragen sich bestimmt die Anghörigen anderer Gefallener. War ihr Besuch am Wochenende im Einsatzführungskommando  ein Routinebesuch (der letzte war 2006) oder war es nur eine strategische Maßnahme, um der öffentlichen Materialdebatte entgegenzuwirken? Oder ist das sicherheitsrelevante Fass Kundus kurz vor dem überlaufen, dass politische Kollateralschäden verhindert werden müssen? Fragen über Fragen…

d) Ist die deutsche Debatte nicht die falsche Debatte? Klar, für die deutsche Bundeswehrgeschichte ist dieser Einsatz ein historischer Einsatz seit Beendigung des 2. Weltkrieges. Aber müssen wir uns nicht zum internationalen Einsatz und dessen Zusammenspiel fügen? Hat die deutsche Politik parteiübergreifend jahrelang falsch kommuniziert? Ja, wir fordern eine öffentliche Debatte, aber wohin soll sie führen? Vergessen wir nicht den internationalen Blickwinkel? Der Verlust deutscher Soldaten ist tragisch genug, richtig, aber müssen wir damit nicht leben? Können Kampfpanzer, Kampfhubschrauber und Haubitzen eine Kehrtwendung bringen? Und wenn wir Raum „gewinnen“ müssen, dann müssen wir ihn auch halten und verteidigen. Bloß wie und womit? Wobei sich hier an dieser Stelle im Post die Katze wieder in den eigenen Schwanz beisst.

e) Unterm Strich bräuchte Deutschland mehr Soldaten, um den Raum zu halten und verteidigen zu können, um in der Fläche präsent zu bleiben, um mit der Bevölkerung zu kommunizieren und Vertrauen aufzubauen. Doch dieser Gedanke wird politisch kaum durchsetzbar sein. Unterm Strich fordern ja auch viele afghanische Keyleader ein kosequenteres Auftreten der Deutschen. Anyway…Debatten um Materialaustattung hin oder her. Die Frage lautet doch (?): Können wir mit Panzern und Haubitzen weiter eine Friedensmission unterstützen oder hat sich die Gesamtlage (offenbar) dermaßen verändert, dass (auch wir deutschen) weiteres Handwerkzeug benötigen, um im Geasamtkonzert gemäß einer neuen sicherheitsrelevanten Sinfonie auf „Augenhöhe“ mit den Holländern, Briten und Amerikaner mithalten und uns behaupten können?

…diese Gedanken haben mich die Tage beschäftigt und mich nun zu diesem getippten geistigen Lusttropfen verleitet. Wie denken Sie darüber? Feuer frei…

Es ist ebenso wichtig die Unterstützung der Öffentlichkeit zu mobilisieren, wie die Streitkräfte für den Krieg zu rüsten. Die Moral steht im Zentrum des Krieges und nicht die physische Stärke. Sieg wird nicht durch Vernichtung erreicht, sondern durch das Zerbrechen der gegnerischen Moral. Ziel des Krieges ist die Moral des Feindes.“
(Carl von Clausewitz).

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Ein Kommentar für das neue IMS-Magazin von Boris Barschow

Die mediale Wahrnehmung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr ist seit des Tanklaster-Bombardements von Kundus eindeutig grösser geworden. Nichtzuletzt durch die Ereignisse des Karfreitages, bei denen Soldat 37, 38 und 39 gefallen sind, scheint der „Break-even-Point“ eine langsam ansteigenden Wahrnehmungswelle erreicht zu sein. Doch wie an der Börse, kann eine solche Kurve auch wieder fallen.

Wenn man sich durch den Blätterwald und den Fernsehdschungel schlägt, gibt es viele gute Gründe, unsere Soldaten aus Afghanistan abzuziehen: es fallen Staatsbürger in Uniform, die zu schlecht ausgerüstet und ausgebildet seien, die noch nicht einmal wüssten, warum sie eigentlich in Afghanistan seien und die sich nicht in einem Wiederaufbaueinsatz sähen, sondern in einem Krieg.

Die Argumente eines „Für & Wider“ des deutschen Engagements am Hindukusch konterkarieren sich: angeblich sind über 70 Prozent der deutschen Bevölkerung gegen den Afghanistan-Einsatz, andererseits geben nach der jüngsten sozialwissenschaftlichen Studie der Bundeswehr 47 Prozent der Befragten an, noch nie etwas über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gehört oder gelesen zu haben. Irgendetwas kann in dieser Gleichung nicht stimmen.

Nach meinem ersten ISAF Einsatz 2007 als Reservist, komme ich als Journalist das erste mal ins Grübeln: „Komisch, aus meiner subjektiven Perspektive gestaltet sich das Land nicht so schrecklich und grausam wie es unsere Medien immer vermitteln.“ 2009 nach meinem insgesamt dritten Einsatz stelle ich eine von den Medien prognostizierte Steigerung der Anschläge in Nord-Afghanistan fest. Die Lage ist nicht mehr ruhig und stabil. Im Gegenteil: ich muss sie sogar am eigenen Leib über mich ergehen lassen, als wir 1,5 Stunden gefechtsbereit zusammen mit der QRF im Flughafengebäude von Kundus eine Rundum-Sicherung durchführten, nach dem drei Raketen, eine davon 25 Meter neben uns, einschlugen. 25 Meter in die andere Richtung ein Tanklastzug. Das war knapp und ist eine bleibende Erinnerung.

Trotz dieser persönlichen Erfahrungen ist es meines Erachtens nach ist es nicht richtig, wenn sich die internationale Gemeinschaft nun aus Afghanistan zurückziehen will. Die vergangenen Afghanistan-Konferenz sollte viel Neues und Hoffnungen bringen, doch hat es den Anschein als wolle sich die Staatengemeinschaft ohne Gesichtsverlust aus dem geliebten dunklen Land verabschieden. Eine neue Strategie?! Ein Rückzug wird angekündigt. Ein fataler Fehler. Die Aufständischen können jetzt abwarten – auch darauf, dass dem Westen im Zuge der Finanzkrise offenbar das Geld ausgeht. Oder lastet auf den NATO-Staaten der Erwartungsdruck der Medien nach einer nachvollziehbaren Sinnhafigkeit dieses militärischen Einsatzes, dass ein Rückzug auf Raten die einzig authentische Antwort dafür sein kann?

Warum sind wir in Afghanistan? Um dem Land zu einer eigenen Sicherheit und Stabilität zu verhelfen, damit es seine Geschicke möglichst bald wieder in die eigenen Hände nehmen kann. Dazu gehört der Aufbau eines Sicherheitsapparates: die Ausbildung von afghanischen Polizei- und Militärkräften. Gleichzeitig soll der internationale Terrorismus im Land zerschlagen werden, der seit dem 11. September 2001 die Welt bedroht. So weit so gut. In stoischer Regelmäßigkeit berichten die Medien über all das, was in dieser Mission nicht rund läuft, ohne zu wissen, welche Erfolge am Hindukusch schon erzielt worden sind. Gute Journalisten sollten immer beide Seiten einer Medaille aufzeigen. So haben wir es alle einmal gelernt: ausgewogen und möglichst objektiv berichten. Doch was hierzulande im Mediendschungel passiert, da kann man dem einen oder anderen schon Absicht unterstellen. Wenn nur über Tod und Zerstörung berichtet wird, dann ist das kein realistisches Abbild einer internationalen Mission – auch nicht der deutschen Verantwortung im Regional Command North (RC North). Dass in der Provinz Kundus viele Paschtunen leben, ist bekannt. Jeder Taliban ist ein Paschtune, aber nicht jeder Paschtune ein Taliban. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Kämpfe der Taliban gegen die ansässigen Warlords auch auf die Bundeswehr überspringen. Die Paschtunen verstehen sich dort als ethnische Minderheit, fühlen sich von den anderen Ethnien unterdrückt. Wer Afghanistan beherrschen will, muss auch den Norden des Landes kontrollieren – deshalb siedelte der afghanische König vor über hundert Jahren die Paschtunen in Kundus an. Diese Auswirkungen spüren wir und die Paschtunen bis heute. Jetzt führen die Medien eine Debatte über schlechte Ausbildung von Soldaten und fehlendem Material und ein Untersuchungsausschuss wird eher zu einer parteipolitischen Schlammschlacht als zu einem Aufklärungsorgan, das eigentlich die Umstände dieses Vorfalles untersuchen sollte. Dabei liegen die eigentlichen Probleme dieses Einsatzes doch ganz woanders.

Vergleicht man nun die Anschlagzahlen auf die Bundeswehr im RC North mit den der anderen Regional Commands, kann man behaupten, dass der Norden als so sicher gilt, dass man ihn schon fast an die afghanische Regierung „zurückübertragen“ könnte. Stürzt sich nun die geballte Kraft deutscher Medien auf die verhältnismäßig geringe Anzahl der Anschläge auf die Bundeswehr, wird ein Bild vermittelt, dass so einfach nicht stimmt: Kriegsszenarien und Apokalypse. Kein Wunder, wenn in der Heimat dann eine Ausstiegsdebatte geführt wird. Es gibt so viele Erfolge, die bereits in Afghanistan erreicht worden sind, über die aber niemand berichten möchte. Und schließlich sind wir in diesem Land auch dazu angetreten, den Menschen, den Afghanen, zu helfen. Mitnichten haben wir unsere Zielen bisher erreicht, die wir uns in Afghanistan gesetzt hatten, Das ist noch ein weiter Weg. Doch die Erfolge, die wir bereits hatten, werden nicht in die Waag-Schale der Medien gelegt, um ein authentisches Bild dieses Landes und des Einsatzes zu zeichnen. Die Ring-Road ist fertig – klar: immer noch umgekämpft, weil auch der Gegner sie benutzt und strategisch stören will. Ein Staudammprojekt im Westen des Landes wird mehr Strom bringen. Es gründen sich seit langem erste afghanische Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und damit Familien ernähren, die nicht mehr als Taliban-Wochenendkämpfer tätig werden müssen. Die Informationsstruktur des Landes verbessert sich immer schneller. Diverse Internetunternehmen ermöglichen einem Großteil der Bevölkerung eine freien Zugang zu Informationsquellen, immer mehr Kinder können die Schule besuchen, lernen lesen und schreiben. Gerade dort liegt die Zukunft des Landes. Es ist (auch) ein Krieg um Bildung in Afghanistan.

Ich habe soviel Afghanen kennengelernt, die Hoffnung in den Westen legen. „Bitte verlasst uns nicht“, schrieb mir einmal ein Afghanen in einem Brief „ohne Euch sind wir verloren.“ Ein Satz, den ich nie wieder vergessen werde.

Nehmen wir heute in der Politik eine bessere Transparenz des Einsatze wahr als es vor einigen Monaten noch der Fall war? Verteidigungsminister zu Guttenberg hat das „K-Wort“ eingeführt., ein Minister, ein General und ein Staatsekretär sind zurückgetreten. Die Zeitungen und Bildschirme sind „voll“ mit Geschichten über die Truppe in Afghanistan. Plötzlich sind Stories über den „Landser“ möglich, Gesichter und Namen werden gezeigt, kritische Debatten über Materialmängel und schlechte Soldatenausbildung dominieren die Berichterstattung. Alles nicht neu. Und all das war vor Jahren schon so. Doch damals hat es offenbar niemanden interessiert. Heute sehen wir preiverdächtige Dokumentationen wie z.B. „Die Afghanistan Lüge“, lesen über das „Kundus Syndrom“ und eine Trauerfeier wird erstmals seit dem Busattentat 2003 wieder live im Fernsehen übertragen. Wenn es diese Berichterstatter mit ihren Beiträgen „ernst“ meinen, warum haben sie mit diesen Geschichten nichts schon viel früher begonnen?

Haben wir nun nach dem Karfreitag den „Break-even-Point“ wider des gesellschaftspolitischen Desinteresses erreicht? Ein Soldat der Bundeswehr-Universität wollte neulich von mir wissen, ob sich nun die öffentliche Wahrnehmung dieses Einsatzes endlich ändere. Solange Fernsehen und Verlage ihre Angebote durch quotenunterstütztes Denken fernsteuern lassen, wird sich nicht viel verändern. Dass eine Kanzlerin sich von ihren politischen Berater zur Teilnahme an der Trauerfeier überreden lassen musste, spricht Bände. Afghanistan, Wiederaufbau des Landes und Krieg sind in Deutschland noch nicht wirklich angekommen. Wir alle haben eine Verantwortung. Sowohl als Wähler als auch als Staatsbürger in Uniform.

Der Afghanistan-Einsatz hat etwas mit Aufmerksamkeit zu tun: den Menschen des Landes gegenüber einerseits und den deutschen Soldaten und ihren Angehörigen gegenüber andererseits. Und wir dürfen nicht vergessen: 41 andere ISAF Nationen haben durchaus höhere Verluste erlitten als Deutschland. Ein Soldat weiß, dass sein Beruf im Ernstfalle kein Zuckerschlecken bedeutet. Nur sollten wir alle ehrlich mit den Realitäten eines solchen Einsatzes umgehen: als Wähler, als Politiker und als Journalisten. Mehr Transparenz, damit sich jeder eine eigene Meinung bilden kann. Vielleicht erhält sich dann die Wahrnehmungswelle, wenn wir unser Interesse investieren wie ein Fondmanager seine Anteile an der Börse.

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Youtube entwickelt sich zu einem wahren Fundus an Perspektiven und verschiedenen Blickwinkeln zum Thema Afghanistan. Dieser Film spiegelt auch viele unserer Debatten hier im Blog. Ob dieser Autor Soldat ist, kann ich nicht sagen…einfach mal gucken…

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Das Magazin Panorama berichtet gestern – Bundeswehr in Afghanistan: die gelähmte Armee

Panaorama: „Das Versagen beim Wiederaufbau des Landes lässt sich nicht mehr leugnen, ebenso wenig wie die Notwendigkeit, gegen Aufständische zu kämpfen. Doch statt endlich eine tragfähige Strategie zu entwickeln, verstecken sich die Politiker schon wieder hinter Abzugsphantasien. Panorama mit einem Plädoyer für einen ernstgemeinten Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.“ (mehr hier)

Nun plötzlich – anläßlich des Untersuchungsausschusses – sendet das Magazin ein Plädoyer über einen sogenannten erstgemeinten Einsatz und bemängelt damit u.a. auch die fehlende öffentliche Wahrnehmung dieser Mission. Militärexperten, Ex-Generalinspekteure, Ex-Vertedigungsminister und ehemlige Soldaten kommen zu Wort und prangern genaus dies an. Fehlende öffentliche Wahrnehmung – vielleicht der letzte mögliche  enthüllende Ansatz, um in der aktuellen unübersichtlichen Diskussion über deutsche Sicherheitspolitik investigativ zu berichten. Ein längst überfälliger Beitrag zwar, aber Jahre zu spät.

Den Beitrag sehen Sie hier.

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Viel Neujahrs-Post stürmt die Mailbox dieser Tage. Eine, über die ich mich besonders gefreut habe,  möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Herr Nachtwei, ich hoffe, Sie vergessen AFG nicht und wir bleiben in Verbindung. Ihnen und Ihrer Familie ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2010.

Lieber Herr Barschow,

seien Sie willkommen im Neuen Jahr, für das ich Ihnen Gesundheit, viel Kraft, erfolgreiches Wirken und einiges an Freuden wünsche.

Vielen Dank für die hilfreichen Informationen und Wortmeldungen Ihres afghanistanblog.  Wo sonst die öffentliche und politische Debatte fast nur um den 4. September ff. kreist und immer mehr innenpolitisch dominiert ist, ist die breitere Wahrnehmung und Debatte des afghanistanblog umso notwendiger und hoffnungsvoller.

Sie stellen in Ihrem Jahresrücklich fest, dass Aufbaubemühungen kaum wahrgenommen würden. Das kann man wohl sagen! Diese Nichtwahrnehmung ist Ignoranz – und ein Tritt für all die vielen, die engagiert und mutig auf diesen Feldern arbeiten.

Um dieser Nichtwahrnehmung etwas entgegenzuwirken, veröffentliche ich seit Sommer 2007 „Better News statt Bad News aus Afghanistan“, jetzt gerade die 6. Folge: nicht zwecks Beschönigung, sondern weil das zu einem Gesamtbild dazu gehört, und weil ohne die Wahrnehmung von Chancen sowieso alles verloren ist.  (www.nachtwei.de/index.php/articles/951) Um auf der anderen Seite der deutschen und Kunduz-Nabelschau entgegenzuwirken und der Bruchstück-Information durch die Bundesregierung, stelle ich ebenfalls seit Sommer 2007 Materialien zur Sicherheitslage Afghanistans (und Pakistans), darin auch speziell der AFG-Region Nord, zusammen. (www.nachtwei.de/index.php/articles/948) …946

Angesichts der heute beliebten Pauschalabrechnung mit „naiven und verantwortungslosen Politikern“ habe ich mal meine Berichte, Stellungnahmen, Initiativen zusammengestellt, die bei der Meinugsbildung meiner Fraktion und Partei eine erhebliche Rolle spielten:

Wenn ich da in Stellungnahmen von vor fünf, drei Jahren blicke, staune ich, wie nüchtern-kritisch und drängend-warnend der Tenor damals war, wie fürchterlich langsam verantwortliche Politik in Sachen Afghanistan lernte, sich weiterentwickelte, wie lange es bei Unehrlichkeit und Halbherzigkeit blieb. (Exemplarisch sehe ich das am Fall Kunduz, der früheren Hoffnungsprovinz: Hier habe ich mal die Berichte aller meiner Kunduzbesuche von Januar 2004 bis 2009 zusammengeführt.)(www.nachtwei.de/index.php/articles/950) Ich erinnere mich aber auch an so manche Bundestagsdebatte um Fragen des Aufbaus in AFG, die in den Medien keinerlei Widerhall fanden.  Wo in Deutschland das Parlament eine so gewichtige Rolle bei Auslandseinsätzen wie in kaum einem anderen Land spielt, haben wir Parlamentarier die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten längst nicht zureichend genutzt. Bis heute zu Beginn des 9. Einsatzjahres ließ es die Parlamentsmehrheit der Regierung durchgehen, dass diese keinerlei fundierte Bilanzierung des Einsatzes vorlegte. Für Projekte von 100.000 oder 1 Mio. Euro sind Evaluierungen selbstverständlich. Bei dieser Dimension, wo es um viele Milliarden geht und um viele Menschenleben, scheint das nicht nötig zu sein.

Mit besten Grüßen
Ihr
Winfried Nachtwei

P.S.: Wenn Sie möchten, können Sie auch was von den o.g. Materialien mit dem afghanistanblog verlinken.

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Also war ich dieses Jahr doch in einem kriegsähnlichen Einsatz unterwegs? Dieses Jahr hat sich jemand getraut, das auszusprechen, wovor viele Politiker sich gedrückt haben. Und es war abzusehen, dass die Bundeswehr im Norden über kurz oder lang in Kämpfe verwickelt werden würde. Aus einer Feinschmeckerdebatte pellt sich nun plötzlich ein zartes gesellschaftspolitisches Interesse wie das Küken aus dem Ei.

Und an diesem Jahresende wieder die gleiche Frage: was hat uns dieses Jahr gebracht? Einige Hoffnungen aus 2008 sind jäh im Nirwana der Hoffnungslosigkeit verschwunden – die Wahlen in Afghanistan waren ein Desaster. Die Anschlagzahlen in Afghanistan steigen stetig. Die Taliban und anderen Aufständischen müssen sich eins ins Fäustchen lachen, wenn sie unseren politischen Schlagabtausch hierzulande mit verfolgen. Die Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 droht hoffentlich nicht zu einer Farce zu werden oder zu einer reinen Truppensteller-Konferenz. Obwohl Obamas Erwartungen an Deutschland hoch zu sein scheinen, hat es die deutsche Politik doch versäumt, sich rechtzeitig in seinen Afghanistan-Selbstfindungsalleingangkurs einzumischen, um damit in der internationalen Politik endlich ein eigenes Profil, Selbstbewusstsein und Charakter zu demonstrieren. Das Kundus-Bombardement – und plötzlich befinden wir uns in einer Rückzugsdebatte… Wer hätte das 2008 schon vermutet? Dieses Jahr war so viel los, dass wir die Afghanen in unseren Debatten im Blog und in unseren Medien komplett links liegen lassen haben. Ein geschasster Verteidigungsminister, ein neuer Generalinspekteur und ein Staatssekretär, der zum zweiten Mal in den Ruhestand geht. Ein Untersuchungsausschuss und vieles mehr. Die Aufmerksamkeit für den Bundeswehreinsatz am Hindukusch ist größer geworden. Nicht zuletzt wegen einer politischen Schlammschlacht der Parteien in Berlin. Aber gut so: das ist doch das, was wir erreichen wollten. Die Menschen sollen hinsehen und zuhören und sich einmischen. Afghanistan geht uns alle an. und wir dürfen die Menschen in diesem Land nicht vergessen, für deren Untertützung wir angetreten sind.

Foto: privat - Als Staatsbürger in Uniform im Bundestag mit dem ehemaligen Außenminister Steinmeier. Ich gebe zu: in diesem Moment war ich ein wenig irritiert und kam mir vor wie in einem falschen Film.

Dieser Jahresrückblick soll stellenweise sowohl persönliche Erlebnisse dieses Jahres als auch die Bedeutsamkeit dieses Blogs einschließen dürfen. Ich hoffe, Sie gestehen mir das zu – war und bin ich doch als Staatsbürger in Uniform immer noch von der Politik rund um die ISAF Mission betroffen. Die Zahl derer, die in meinem Handeln und Tun eine Gratwanderung sehen – ein Journalist als Reservist in Uniform- , haben mich auch dieses Jahr nicht davon überzeugen können, dass es falsch ist, was ich tue. Engagement scheint für viele Menschen ein Fremdwort zu sein, inklusive derer, die schon in fast rufmordkampagnenmäßig Leser Rezensionen über mein Buch Kabul, ich komme wieder bei Amazon einstellen – üble Nachrede ist da noch ein freundlicher Begriff für. Ich weiß, wer es war und habe auf eine Anzeige verzichtet. Andere meinen „nun lass mal Afghanistan Afghanistan sein, halt die Füße still und funktioniere wieder“.

In den letzten drei Jahren war ich insgesamt 10 Monate am Hindu Kusch, was übersetzt so viel wie Inder töten bedeutet – wissen wohl auch nicht viele. Und dort wird also unsere Republik verteidigt. Das Jahr begann hoffnungsfroh und aufregend. Der Einsatzführungsstab der Bundeswehr setzte neue Schwerpunkte und suchte Interkulturelle Einsatzberater. Fast wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. In einem langen Bewerbungsverfahren nahm ich dann die letzten Hürden geballter Bedenkenträger, um die Soldaten in Afghanistan als Landeskundlicher Berater unterstützen zu dürfen. Aus Überzeugung, weil ich in meinen ersten beiden Einsätzen am eigenen Leibe gespürt habe, wie viel Hoffnung die Afghanen gerade in uns Deutsche setzen. Den Afghanen zu helfen, bedeutet Aufmerksamkeit schenken, Zuhören und Kommunikation auf Augenhöhe als säße man in einem gemeinsamen Orchester, um ein Konzert zu geben. Den Menschen nicht das Gefühl geben, Sie hätten nur nach unserer Pfeife zu tanzen. Ich war auch schockiert, dass es immer noch Offiziere gibt, die afghanischen Frauen zur Begrüßung die Hand reichen. Manch einer sah in der interkulturellen Beratung lediglich esoterisches Geschwätz als unabdingbares Muss. Zwischen Theorie und Praxis liegen immer noch Welten.

Kurz vor Beginn meines Einsatzes starb meine Mutter. Für Trauer blieb wenig Zeit, musste ich mich doch mit meinem eigenen möglichen Tod beschäftigen: Testament vorbereiten, Patientenverfügung. Einsatzvorbereitende Ausbildung bei der NATO , BKA, anderen Organisationen 😉  und bei der Bundeswehr.

Ich bin mit absoluter Überzeugung in diesen dritten Einsatz gegangen, mit der Überzeugung, einen Weg fortzuführen, der damals 2007 eher zufällig mit einer ersten Mission begann. Aus Abenteuer, Neuem wurde Verwunderung und dann Überzeugung: gestaltete sich die Realität des Landes aus meiner subjektiven Perspektive nicht so wie unsere Medien sie immer wiederspiegeln. Es gibt nicht nur Bomben und Terror im geliebten dunklen Land, nein, es gibt auch Fortschritte, für die sich hierzulande kaum jemand zu interessieren scheint: zahlreiche Wiederaufbauprojekte, kleine, große oder beispielsweise den Mut eines Afghanen, eine eigene Getränke-Fabrik zu gründen, damit das Land seine Coca Cola nicht mehr aus Pakistan importieren muss – Afghan Coke. Arbeitsplätze sind so entstanden und damit auch viel Hoffnung für Angestellte, die dem Terror trotzen und sich plötzlich eine eigene „Existenz“ für ihre Familie leisten können. Ich habe viele meiner afghanischen Freunde wiedergetroffen. Und jedes Mal diese unnachahmliche Gastfreundschaft, von deren Herzlichkeit wir uns einige Scheiben abschneiden können. Ja, ich musste mich auch mit den Schattenseiten dieses Einsatzes beschäftigen, musste die Blutzoll-Zahlungen für getötete Afghanen aushandeln und Handlungsempfehlungen für Oberst Klein vorbereiten, denjenigen einen, den dieser Einsatz wohl ein Leben lang verfolgen wird – als jemand, der Tag täglich Entscheidungen über Leben und Tod treffen musste. Ich durfte geschichtsträchtige Afghanen kennenlernen und konnte mich mit ihnen über die Zukunft ihres Landes unterhalten  – bitte sehen Sie mir nach, wenn ich an dieser Stelle keine Namen nenne, das wäre kontraproduktiv. Ihre Ansichten und Pläne fürs Land sind anders als wir uns das immer vorstellen. Der größte Fehler, den die internationale Gemeinschaft mache, wäre, nach acht Jahren immer noch nicht den eigentlichen Feind des Landes definiert zu haben. Sind es nun die Taliban, deren Trittbrettfahrer, die Gemäßigten, die Al Kaida und/ oder deren Nachahmer oder die vielen kriminellen Wochenendsöldner, die sich ein Zubrot zum Überleben ihrer Familien dazu verdienen. Tagsüber auf dem Feld zum ernten und danach unterwegs im Gefecht.

Wenn ich überlege, dass 2007 noch ein reguläres Ziel war, 70000 afghanische Soldaten ausbilden zu wollen, damit das Land sich um seine eigene Sicherheit kümmern kann, waren es im zweiten Einsatz 2008 gerade mal ca. 22000, die tatsächlich ausgebildet werden konnten. Heutzutage sind wir bei angedachten 240 Tausend, sowie sich das Obama vorstellt. Davon sind wir Lichtjahre entfernt und der ideenreiche Plan, 2011 aus Afghanistan abzuziehen, ist aus heutiger Sicht längst eine Farce. Was im Irak funktionierte, muss nicht unbedingt auch in Afghanistan gelten. Also, warum gaukelt man der Öffentlichkeit einen absurden Plan vor, der nur eine Stillhalten und Zufriedenstellen der Kritiker dieses Einsatzes befriedigen soll. Auf einem meiner Vorträge fragte mich einmal ein General, was denn meine Patentlösung für Afghanistan sei. Meine Antwort war nüchtern und direkt. „Wenn ich das wusste, musste ich hier nicht vortragen.“ Fakt ist immer noch, dass die Probleme Afghanistans vielfältiger sind als nur die Polizeiausbildung besser oder anders zu organisieren. Die Verzahnung von ethnischen, strukturellen, terroristischen Problemen, Drogenhandel und Korruption sind in diesem Land gewuchert wie ein Krebsgeschwür. Die Menschen Afghanistans sind kriegsmüde. Es herrscht ein Krieg auch um Bildung. Zirka 70% der Afghanen sind Analphabeten.

Foto: privat

In besonderer Erinnerung bleibt mir die Begegnung mit dem Provinzgouverneur von Balkh, Ustad Mohammed Atta Noor, den ich ja schon 2008 in Frankfurt kennen lernen durfte. Als er erfuhr, dass ich im Lande sei, lud er uns prompt in sein privates Gästehaus ein. Tee, gemeinsames Essen – große Teile seiner Familie waren auch anwesend, was in Afghanistan eine große Vertrauensgeste gegenüber einen Fremden ist und dann haben wir eine halbe Stunde Billard gespielt – einfach so. Unglaublich aber wahr. Normalerweise duldet Atta keine Gäste in seinem Haus, die Waffen tragen – wir durften sie weitertragen. Sicherlich auch ein interkulturelles Verständnis von ihm, weiß er wohl wahr, dass wir unsere Waffen nicht ablegen dürfen und er uns mit sonst nur in Verlegenheit gebracht hätte. Atta galt und gilt in Afghanistan bei vielen als das Zünglein an der Waage. Ich durfte ihn von einer sehr privaten Seite kennenlernen – und das weiß ich sehr zu schätzen, zumal er bei vielen auch als umstritten gilt, was seine Politik für oder gegen manch eine ISAF-Nation anbelangt. Er hat einerseits den Schalk im Nacken sitzen und ist andererseits auch ein Schlitzohr. Ein Mann, den man nicht unterschätzen darf. Seine Zeit in Kabul sähe er erst in vier bis fünf Jahren, meinte er. Warten wir es einfach mal ab – Karsai muss sich jetzt beweisen, sonst ist seine Zeit bald vorbei.

Foto: privat - Ustad Mohammed Atta Noor liest "Kabul, ich komme wieder"

Dieses Afghanistanblog hat zu Beginn des Jahres eine neue Stationierung erhalten und übersteigt mittlerweile die alten Einschaltquoten um ein Vielfaches – unabhängig und einzigartig. Dafür vielen Dank an die alten und neuen Stammleser, die ihren Weg hierher gefunden haben. Wir werden weltweit gelesen. Und ihre Leserkommentare tragen dazu bei, sich eine eigene Meinung und Ansichten zu bilden und bei WordPress sind wir seit einigen Tagen unter den Top 100 Blogs. Die Politik liest hier mit, dass weiß ich aus einschlägigen Quellen. Das bestätigt mir einmal mehr, dass unser Forum wichtig ist. Vor einigen Wochen hatte bekam ich eine dubiose Anfrage einer angeblichen Journalistik-Studentin aus London, die unser Blog zur Grundlage einer journalistischen Analyse machen wollte. Ich sollte ihr diverse Fragen per Email beantworten, warum ich denn nur aus Online-Zeitungen zitierte und ob ich meine Leser auch alle persönlich kennen würde. Da ich keine blinden Interviews gebe, bat ich die Dame, mich telefonisch zu kontaktieren – auf den Anruf warte ich heute noch. Ich versuchte ihr vorab das Anliegen dieses Blogs zu erklären, damit sie weiß, welcher Hintergrund uns treibt. Dass die Verlinkung auf aktuelle Medienberichte auch eine Wahrnehmungsperspektive unser Massenmedien spiegeln soll, die wir dann hier mit unseren individuellen Ansichten kommentieren, schien sie nicht verstehen zu wollen.

In den letzten Wochen dieses Jahres sind unsere Diskussion politscher geworden und haben dazu beigetragen, dass wir den Fokus auf die Afghanen streckenweise verloren haben. Ich bitte dies zu entschuldigen, verspreche aber, dass sich das im nächsten Jahr wieder in einem gewohnten Verhältnis einpendeln wird. Zurzeit versuchen wir ja, eine Traumhochzeit wahr werden zu lassen. Micha, derzeit in Afghanistan und seine Heidi allein in der Heimat. Die Themen sind und sollen vielfältig sein – nicht aber boulevardesk.

Und dann haben Soldaten gesprochen dieses Jahr – im SZ-Magazin Briefe von der Front. Für mich ein Highlight dieses Jahres. Unverhofft. Ein Mosaikstein für eine große Debatte, auf den wir alle „Betroffenen“ hingearbeitet haben. Vielen Dank für ihren Mut – auch, wenn die meisten Soldaten sich nicht unter ihrem eigenen Namen lesen wollten.

Foto: privat

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Afghanistan-Mission der Bundeswehr mehr Transparenz erhalten wird. Wir sind auf einem guten Weg. Schön zu wissen, dass einige nicht umkippen, wenn es stürmt – sowohl in der Politik als auch unter uns. Lassen Sie uns aus der Feinschmeckerdebatte ein unendliches Menu werden. Ich könnte jetzt noch seitenweise weiterschreiben, möchte Ihre Geduld nicht weiter mit meinen Ansichten belasten.

Ich danke den vielen Menschen, die mir in Afghanistan begegnet sind, allen, die mir stets Mut machen, weiterzumachen – trotz aller Widrigkeiten, deren Erwähnung hier eher an der falschen Stelle stünden. Es gab auch einige menschliche Enttäuschungen im letzten Einsatz, deren Erwähnung hier nicht als Abrechnung missverstanden werden solle, sondern als prägende Erfahrung, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Einen besonderen Gruß richte ich an diejenigen Menschen in der Bundeswehr, die meinen Einsatz positiv unterstützt haben und bei denen ich mich noch nach gegebenem Abstand persönlich bedanken möchte. Wie meinte ein Oberst a.D. gestern zu mir: „Gegen den Strom schwimmen bringt die Hoffnung, dass einiges vielleicht irgendwann einmal anders werden wird.“ Einiges ist schon, wie Sie selber miterlebt haben, anders. Schwimmen sie bitte weiter mit. Gemeinsam sind wir stark. In diesem Sinnen: Ihnen und Ihren Lieben in der Heimat und im Einsatz einen den Umständen entsprechenden Guten Rutsch ins Neue Jahr. Wir lesen uns.

Bestimmt habe ich noch viele wichtige Dinge vergessen, aber die können wir ja dann hier miteinander mit Ihren persönlichen Rückblicken und Momenten auffüllen.

Herzlichst,

Ihr
Boris Barschow

Foto: privat - In Memoriam

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Interview im Schützengraben…

Tja, jetzt haben wir eben im heute journal gesehen (einfach mal in der Mediathek stöbern, der Beitrag von Uli gack ist noch nicht gepostet), wie unsere Soldaten bei Kundus im Gefecht liegen – fast live dabei so hatte man den Eindruck (Interview während des Feuergefechtes!!!) . Solche Berichte wären vor einigen Wochen noch kaum möglich gewesen. Kurz vor Weihnachten kommen die kriegsähnlichen Zustände also („endlich“) richtig in unsere Wohnzimmer, so wir noch nie zuvor. Und haben Sie es gehört: die Afghanen wundern sich nur über unsere Debatte hierzulande. Ich hoffe, dass alle Beteiligten den Realitäten nun endlich mal in die Augen schauen und das Thema Afghanistan nicht mehr ein geheinmniskrämerisches spektulatives Medienthema bleibt, weil die Politik sich verschließt. Offen und ehrlich berichten und die andere Seite sollte sich den Fragen nicht entziehen. Wenn wir der Mission Afghanistan medial nicht mit Ehrlichkeit und die Politik sich weiter wichtiger Fragen verwehrt, dann hat die Gesellschaft und der Wähler den letzten Funken an Vertrauen verloren. Und die vielen deutschen und auch internationalen Soldaten, die bisher gefallen sind, wären damit einen sinnlosen Tod gestorben.

Hier nun der Bericht:

Die Nato verlangt zusätzliche Soldaten für den Norden Afghanistans. Vor allem Frankreich und Deutschland, das dort das Regionalkommando hat, sind gefragt. Die Größenordnung liegt bei bis zu 3000 Mann. (mehr bei Spiegel.de)

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Puuuh. Da ist ganz schön viel los gewesen seit gestern Abend. Die Besucherzahlen dieses Blogs haben sich verfünfacht! Reges Interesse also an der „Kunduz-Affäre„. Doch das „Wirr-Warr“ wird immer größer – die Feinschmeckerdebatten in den sicherheitspolitischen Blogs vertiefen und verschärfen sich, manche erwähnen diese  erst gar nicht – auch ein Weg (lieber erst mal das Geschehen abwarten als ziellos mit diskutiern – habe auch lange überlegt, ob ich das hier ausführlicher präsentieren soll, was in den Medien so gechrieben und gesendet wird). Egal. Ich hoffe, dass dieses rege Interesse nicht irgendwann im Nirvana des „Naja-es-betrifft-mich-ja-nicht“ verschwindet. Nach den vielen Meldungen und Blogeinträgen von heute sind wir auch nicht viel schlauer als gestern Abend.

Dennoch und gerade deshalb sollten Sie den morgigen PHOENIX-Termin nicht verpassen. Ab 10.15 Uhr senden wir glaube ich den abisher längsten Afghanistan-Schwerpunkt des Senders. Wir werden  eine Chronologie des „Wer-hat-was-wann-gesagt“ vorbereiten und garnieren das mit dem Studiogast Peter Scholl-Latour. Zirka eine Stunde. ich bin dann nicht erreichbar, weil ich dann in der Regie sitze 😉 Danach wiederholen wir unseren Schwerpunkt mit Dr. Reinhard Erös und Vizeadmiral a.D. Ulrich Weisser, ehemaliger Leiter des Planungsstabes des BMVG und zeigen Ihnen dann die bisherigen politischen Aussagen im Bundestag zum Thema. Sozusagen das, was auf dem Markt war und ist, um ein wenig Ordung in das bisher geschehene und gesagte zusammenzufassen. Alles in allem über drei Stunden Programm. Wer es nicht guckt, soll sich bitte hinterher nicht beschweren, man bekäme ja nichts mit 😉

Weitere Links und Hintergründe:

Rechtssicherheit im Auslandseinsatz/SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik
Linksammlung Spiegel
Opposition drängt auf Aufklärung
KSK: Die Elite-Einheit
Videos zum Thema Afghanistan
Nachrichtenfolter für Guttenberg

Nobelpreisträger Obama verteidigt Afghanistan-Einsatz

Und meinen Leserinnen und Lesern möchte ich hier noch einmal für die Treue zum Blog danken. Durch Ihre Kommentare tragen Sie auch zur Meinunsbildung bei und gehören meiner Meinung nach nicht  in die Dunstwolke der gesellschaftpolitsch Desinteressierten. Chapeau. Und es werden immer mehr. Das Blog funktioniert. Danke dafür. Gut Ding hat manchmal Weile.

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Moment mal…

Seit Tagen verfolge auch ich nun die Debatte  über „Wer-hat-wann-was-über-die Bombardierungen-der Tanklastzüge-gewusst-oder-nicht-usw-und-sofort“ – der Stern wartet morgen mit seinen neusten Erkenntnissen dazu mit dem Titel „Rotes Kreuz informierte Guttenberg frühzeitig über tote Zivilisten in Kundus“ auf. Klingt auflagenträchtig. Investigativ. Dabei hatte der Minister doch schon am 6. November seine Kenntnis über diesen Bericht erwähnt, wie die Süddeutsche Zeitung (unbedingt lesen!!!!) schreibt:

(SZ): Guttenbergs Sprecher Steffen Moritz bestätigte am Mittwoch, dass der Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) dem Minister am 6. November vorgelegen habe. Guttenberg habe sich in seiner Pressekonferenz ausdrücklich darauf bezogen, dass es auch nach diesem Bericht zivile Opfer gegeben habe. Guttenberg hatte darauf verwiesen, dass in dem Untersuchungsbericht der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf zu dem Vorfall von stark differierenden Opferzahlen die Rede sei. Trotzdem komme er persönlich zu dem Schluss, dass es zivile Opfer gegeben habe (...)

Ich frage mich, woher die vielen Journalisten die immer wieder schwankenden Opferzahlen her haben wollen oder überhaupt auf konkrete Zahlen schließen können. Auch bin ich gespannt wie der Stern nun auf 74 Getötete kommt, die der Bericht des Internationalen Roten Kreuzes selber recherchiert haben will (vorallem wie). Sie erinnern sich bestimmt auch an das BILD-Exklusiv-Video (woher die das auch immer her haben)  von der Drohne, die den Luftschlag gefilmt hat. Können Sie dort tatsächlich erkennen, wie viele Menschen dort zu sehen sind? Ich nicht. Und auf dieses Video stürzen sich nun noch viele Berichterstatter und unterstreichen damit eine Debatte – die geführt werden muss (!!!) – dass da doch irgendewtas falsch gelaufen sein muss. Viele Einschätzungen zu diesem Thema basieren auf Spekulationen. Jeden Tag lesen wir über „neue“ Erkenntnisse, dass man selber noch kaum durchblickt wer hat wann etwas gesagt, gewusst oder verschwiegen oder nicht weiter geleitet. Fakt ist: es ist falsch kommuniziert worden, Parlament und Öffentlichkeit (die sich plötzlich für Afghanistan interessiert) sind vom Stab des ehemaligen V-Ministers hinters Licht geführt worden. Es gab Entlassungswünsche vom Generalinspekteur und Staatssekretär. Punkt. Und ich vermute, die Luftbildauswerter der Militärs können mehr sehen und erkennen als wir Laien uns das vorstellen können. Nicht, dass mich hier jemand falsch versteht, ich will keine Lanze für irgend jemanden brechen. Man sollte in der Sache fair und sachlich bleiben, lassen wir die Untersuchungsausschüsse ermitteln und bewerten und beteiligen wir uns nicht an einer politischen Schlammschlacht zwischen rot und schwarz. Es geht hier um Menschenleben und um das Image unserer Soldaten in Afghanistan.

Und was höre ich aus Afghanistan von verschiedenen Seiten:  „Wir Soldaten werden hier immer öfter mit Steinen beworfen, bespuckt und die Kinder rufen nur noch Dollar, Dollar, Dollar…

Die Deabatte hierzulande spürt der Soldat nun auch am eigenen Leibe.  (Aber das interssiert wohl eh niemanden, oder?)

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Diesem Editorial des Chefredakteurs und Verlegers des Hardthöhenkuriers ist nichts hinzu zu fügen. Respekt. Mutig. Danke. Einfach anklicken, dann können Sie es hoffentlich lesen.

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Osama Bin laden lebt?

Vielleicht sind die Aussagen nur eine Finte. Sollten sie jedoch wahr sein, wären sie seit langem der erste Beleg dafür, dass Al-Qaida-Chef Osma Bin Laden noch lebt. Ein in Pakistan inhaftierter Taliban-Kämpfer berichtet über Treffen mit Bin Laden. Diese sollen im Januar in Afghanistan stattgefunden haben. (weiterlesen auf Welt.de)

Amerika war gegen den Angriff?

Vor dem umstrittenen Luftangriff auf die beiden Tanklaster im nordafghanischen Kundus gab es offenbar Streit zwischen dem deutschen Fliegerleitoffizier und den amerikanischen Piloten. Aus dem geheimen Untersuchungsbericht der „Internationalen Sicherungs- und Aufbautruppe“ (Isaf) geht nach Angaben von Verteidigungspolitikern hervor, dass die Piloten mehrfach darauf gedrängt hätten, den Menschen rund um die Tanker durch Tiefwarnflüge Gelegenheit zur Flucht zu geben. Außerdem berichtet in dem 800 Seiten starken Dokument ein Kommandeur, es habe Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben, wie viele Bomben man einsetzen solle. Die deutsche Seite habe sechs Bomben gefordert und zur Eile gedrängt, obwohl die beiden entführten Tanklastzüge im Schlamm feststeckten. Die amerikanischen Piloten hätten widersprochen und gesagt, es seien nur zwei Bomben nötig. (weiterlesen auf Welt.de)

Obama-Faktor läßt Europäer kalt

Alles schien so schön geplant. Er wolle offiziellen Ankündigungen nicht vorgreifen, raunte der Berater von US-Präsident Barack Obama in einer Telefonkonferenz mit Reportern, aber sehr bald schon werde es mehr Unterstützung aus Nato-Ländern für den Einsatz in Afghanistan geben. Spätestens wenn an diesem Freitag Außenministerin Hillary Clinton mit ihren Kollegen aus Europa in Brüssel zusammentreffe, soufflierte er, könnten gemeinsame Kraftakte am Hindukusch beschlossen werden.

Allein in Afghanistan/Editorial

Alljährlich machen in diesen Tagen Fotografien die Runde, die aus der Flut der Bilder herausfallen. Sie sind in der Regel nicht professionell aufgenommen, sie haben etwas Unbeholfenes. Da sitzen Soldaten – neuerdings auch Soldatinnen – in einem kargen Zelt vor einem Adventskranz, der in diesem Ambiente so rührend wie fremd wirkt. Solche Fotos gab es auch schon im Ersten Weltkrieg: der winzige Christbaum im Schützengraben in Flandern. Doch während diese Fotos zumeist eine steife patriotische Durchhalte-Würde ausstrahlen, geht es auf denen, die heute aus Afghanistan kommen, ganz zivil zu. Es sind private Momente. (weiterlesen auf Welt.de)

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Die Erklärung von Franz Josef Jung:

„Nach reiflicher Überlegung und Handeln nach dem Grundsatz, dass man wichtige Entscheidungen erst eine Nacht überschläft, habe ich heute Morgen die Bundeskanzlerin davon unterrichtet, dass ich mein Amt des Bundesministers für Arbeit und Soziales zur Verfügung stelle. Ich übernehme damit die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber den Ministern bezüglich der Ereignisse vom 4. September in Kundus. Ich habe meiner Erklärung von gestern im Deutschen Bundestag nichts hinzuzufügen. Ich habe sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament über meinen Kenntnisstand korrekt unterrichtet. Ich stehe auch selbstverständlich für die weitere Aufklärung zur Verfügung. Durch meinen Schritt möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, dass die Bundesregierung ihre erfolgreiche Arbeit uneingeschränkt fortsetzen kann und Schaden von der Bundeswehr abgewendet wird. Wie Sie wissen, war und ist es mir ein Herzensanliegen, die Soldatinnen und Soldaten in ihrem schweren Einsatz für Frieden und Freiheit unseres Vaterlandes zu unterstützen und sie vor unberechtigten Angriffen in Schutz zu nehmen.“


Franz Josef Jung (CDU) war gerade einen ganzen Monat als Arbeitsminister im Amt. Der frühere Bundesverteidigungsminister legte damit den schnellsten Rücktritt in der Geschichte der deutschen Bundesminister hin. 30 Tage nach seiner Vereidigung hat Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung seinen Rücktritt angekündigt. Er stelle sein Amt zur Verfügung und übernehme damit die volle Verantwortung für die interne Informationspolitik des Verteidigungsministeriums nach dem Luftangriff auf zwei entführte Tanklastzüge in Afghanistan am 4. September, sagte Jung am Freitag in Berlin in einer nicht einmal zwei Minuten langen Erklärung. (Die Erklärung im Wortlaut: hier) (mehr auf Welt.de)

Informationspolitik. Das ist das entscheidene Stichwort. Über eines sollten wir uns alle bewußt sein: bei militärischen Interventionen sind zivile Opfer LEIDER nicht immer zu vermeiden. Dass deutsche Soldaten in Afghanistan einmal fallen könnten, hat in den letzten acht Jahren hierzulande kaum jemanden in der Gesellschaft interessiert. Hätte die Politik und das BMVG von Anfang an eine offensive Informationspolitik während der AFG-Mission betrieben, wäre es nie zu solchen Geheimniskrämereien gekommen. Es kann doch nicht angehen, dass ein Minister Feldjägerberichte zu Weiterleitung an die NATO frei gibt und sie dann selber nicht kennt!!! Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und die Minister und Politiker haben dem Parlament und der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen. Wäre in der Vergangenheit auch mehr über die Erfolge in Afghanistan berichtet worden, würde unsere Gesellschaft dieser Mission nicht so argwöhnisch und kritisch gegenüberstehen wie in diesen Tagen. Mit der mißglückten Informationspolitik des ehemaligen Verteidigungsministers ist die Bundeswehr in einen negativen Blickwinkel gerückt worden. Zu alle dem nützt dieses Debakel nicht der Hilfe, die die tausenden Soldaten am Hindukusch voran treiben wollen. Eher im Gegenteil. Mühselig aufgebautes Vertrauen in der afghanischen Gesellschaft kann so in sich zusammenfallen. Und vielleicht trauen sich auch irgendwann einmal Journalisten, alleine ins Land einzutauchen – jenseits von heroischen Patrouillen-Begleitungen irgendwo in der Wüste.

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Er macht seine Drohung wahr: Abdullah Abdullah will an der Stichwahl um das Präsidentenamt in Afghanistan nicht teilnehmen. Der Herausforderer von Amtsinhaber Hamid Karzai rechnet mit massiven Fälschungen bei dem Urnengang.

Sechs Tage vor der geplanten Stichwahl in Afghanistan hat der Herausforderer von Präsident Hamid Karzai, Abdullah Abdullah, seine Teilnahme an der Abstimmung abgesagt. „Ich werde an der Wahl am 7. November nicht teilnehmen“, sagte der Ex-Außenminister am Sonntag in Kabul. Er protestiere damit gegen die „unangemessenen Taten“ der Regierung und der umstrittenen Wahlkommission (IEC). (weiterlesen auf Spiegel.de)

KarteAFG

Ist der Demokratieversuch in Afghanistan nun gescheitert? Oder sind Karsai und Abdullah die Meister des Taktierens um die Macht in Afghanistan? So oder so: gewaltfrei liefen die Wahlen vom 20. August nicht ab, die Taliban drohen weiterhin mit Anschlägen. Auch die Stichwahl schien im Vorfeld umstritten zu sein. Weitere Wahlfälschung wurden schon vermutet. Abdullahs Rückzug ist vielleicht eine Art prophylaktischer Eigenschutz, um dem Scheitern bei der Stichwahl politischer Belanglosigkeit vorzubeugen. Erinnern wir uns:  Karsai paktierte schon vor der Wahl am 20. August mit dem Usbeken und Warlord Dostum, machte ihn wieder zum afghanischen „Globalplayer“, den Mann, hinter dem angeblich immer noch 20000 Kämpfer stehen. Karsai probierte Abdullah und seine politische Freunde zu destabilisieren, indem er die drei führenden Amtschefs der afghanischen Polizei in der Provinz Balkh aus dem Amt jagen wollte – diejenigen Drei, die die Provinz Balkh zu sicherhsten Provinz Afghanistans machten – quasi als Retourkutsche für  Provinzgouverneur Mohammad Atta Noor, der kurz vor den Wahlen Karsai Flanke verließ und sich mit Abdullah zusammentat. Daraufhin nahm Karsai Dostum in sein Team auf, machte ihn politisch wieder hoffähig. Experten vermuteten schon Unruhen, sollte das Wahlergebnis keine eindeutige Mehrheit hervorbringen. Währendddessen wechselte die Jungendabteilung Dostums Partei mit seiner Genehmigung schon vor dem 20. August die Seite und schloß sich Abdullah Abdullah an. So hätte der Usbeke, je nachdem wie die Wahl ausgegangen wäre, auf jeden Fall ein Stückchen vom Kuchen der Macht abbekommen. Abdullah hatte einen Plan. Er wollte im Falle eines Wahlsieges die Verfassung ändern, wollte sich zum Ministerpräsidenten machen und Khalizad zum Präsidenten. So hätte er durch diese beiden Familienclans eine neue Achse der Macht von Badakshan im Norden bis hin nach Kandahar im Süden aufbauen können.

ProvinzenAFG
Mit seinem Rückzug aus der Stichwahl erhält sich Abdullah auf jeden Fall eine Art politische „Glaubwürdigkeit“, entzieht er sich doch eines für den Afghanen untransparenten Machtentstehungsprozesses, den viele unter dem Strich überhaupt nicht akzeptieren/verstehen wollen („Demokratie, was ist das überhaupt?“). Wie die afghanische Verfassung nun mit diesem „Debakel“ umgehen wird, bleibt abzuwarten. Laut Artikel 61 muss der Kandidat 50 Prozent der Stimmen erhalten, um Präsident zu werden. Abdullah kann nun „gemütlich“ abwarten, was passiert. Würde Karsai nun wieder Präsident, könnte Abdullah im Moment einer erneuten Schwäche Karsais aus dem Hintergrund wieder auf die politische Bühne treten und fern von Wahlbestechungen mit einer blütenweißen Weste seine politische Pläne für das Land wieder auflegen. Unter dem Strich bleibt aber ein übler Beigeschmack: US-Präsident Obama wird erst dann über eine Truppenerhöhung entscheiden, wenn er sich gegenüber eine legitime afghanische Regierung sieht. Und ob die afghanische Bevölkerung ihr Vertrauen nach diesem Wahldebakel  in die ISAF-truppen steigert, bleibt auch abzuwarten. Was fehlt, ist eine für den Afghanen nachvollziehbare Strategie. Die Hoffnung, dass es nach dem letzten Jahr nun besser wird, wird kleiner. Lesen sie den Rückblick 2008 und machen Sie sich ihr eigenes Bild, ob 2009 nun ein besseres Jahr war. 42 Länder probieren in Afghanistan den politischen Willen einer internationalen Gemeinschaft unter einen Hut zu bekommen. Und in ein paar Wochen beginnt in Deutschland die Diskussion über eine Mandatsverlängerung der Bundeswehr am Hindukusch – eine erste Bewährungsprobe für unsere neue Bundesregierung. Und der Soldat und seine Angehörigen werden sich fragen, wie lange diese Mission wohl noch dauern muss.

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Der Bruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai steht auf der Gehaltsliste des US-Geheimdienstes CIA. Das berichtet die „New York Times“ (Mittwoch) unter Berufung auf derzeitige und frühere US-Funktionäre. Ahmed Wali Karsai, der als eine Größe im illegalen afghanischen Opium-Handel gilt, erhalte von der CIA seit acht Jahren Geld für diverse Dienste. Unter anderem habe er dabei geholfen, in der südafghanischen Region Kandahar eine paramilitärische Einheit zusammenzustellen, die unter CIA-Regie operiere. Auch soll er den US-Kräften Zugang zu Immobilien verschafft haben. (mehr dazu bei SZ-online.de)

Dazu ein Kommentar von Ansgar Graw,  Die Welt:

Wie weiter am Hindukusch…?

Überraschend ist die Nachricht nicht. Die Kumpanei zwischen der US-amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) und dem afghanischen Drogengroßhändler Ahmed Wali Karsai folgt einfacher Logik. „If he is a bastard, at least he is our bastard“, nach diesem Motto gehen nicht nur Amerikaner in Afghanistan vor – wenn schon ein Schurke, dann doch bitte auf unserer Gehaltsliste. Gleichwohl ist die Kluft zwischen Ahnung und Gewissheit groß. Die Debatte über den Sinn des Afghanistan-Engagements bekommt neue Nahrung. (weiterlesen hier)

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