Heute Abend um 21.45 Uhr Report Mainz im Ersten:
Das Auswärtige Amt zieht gegenüber dem ARD Politikmagazin REPORT MAINZ erstmals öffentlich eine Bilanz zur Justizreform in Afghanistan: Der Zustand der Gerichte „bleibt bisher in Teilen ungenügend“, so das Außenministerium in einer Stellungnahme REPORT MAINZ gegenüber. Der Stand der Justizreform sei „unbefriedigend“ und sie werde „noch etliche Jahre dauern“.
Nach Angaben des Ministeriums wurden in den vergangenen vier Jahren 446 afghanische Richteranwärter sowie junge Staatsanwälte und Anwälte mit deutschen Mitteln ausgebildet. Das entspricht knapp einem Zehntel der 4.500 afghanischen Richter und Staatsanwälte. Zudem finanzierte und organisierte Deutschland zweiwöchige Workshops „Faire Prozessführung“. Daran nahmen bislang 2.038 afghanische Richter und Staatsanwälte teil. Seit 2004 hat das Auswärtige Amt insgesamt fast 11 Millionen Euro für Justizprojekte in Afghanistan bereitgestellt. Durchgeführt wird die Ausbildung vom Max-Planck-Institut, Heidelberg (MPI). (mehr auf swr.de)
Tilmann Röder, der MPI-Ausbildungsleiter in Afghanistan, schlägt im Interview mit REPORT MAINZ Alarm: „Es fehlt eigentlich an Allem: An guter Infrastruktur und an Ausbildung.“ Tilmann Röder zufolge gibt es in vielen afghanischen Gerichten keine Gesetzestexte, keine Telefone und oft auch keine Heizung. Wie viele der mit deutschen Mitteln ausgebildeten Richter und Staatsanwälte noch im Dienst sind, könne nicht genau gesagt werden. Viele qualifizierte Juristen wechselten aufgrund der miserablen Bezahlung den Arbeitgeber und seien inzwischen im Dienst von Hilfsorganisationen.
Nun, so doll war der Bericht nicht. Alle wissen, dass wir in diesen Bereich gescheitert sind. Nebenbei sind wir nur für die Polizei(gescheitert) zuständig. Justiz war Aufgabe der Italiener(lachhaft).
Vor allem ist es nicht kriegsentscheidend, ob vergewaltigte Frauen in AFG vor Gericht Recht bekommen. Sorry. Da können wir zwar die Köpfe schütteln(zivilisiert wie wir sind) – es gibt in der Prioritätenliste wichtigeres. Die Idee des Rechtsstaat in AFG ist doch sowieso beerdigt.
pi
„Viele qualifizierte Juristen wechselten aufgrund der miserablen Bezahlung den Arbeitgeber und seien inzwischen im Dienst von Hilfsorganisationen.“
Eventuell liegt das nicht nur an der besseren Bezahlung. Ich stelle es mir sehr schwierig vor (lasse mich hier gerne korrigieren), ein Richter zu sein, der entsprechend den Menschenrechten ausgebildet wurde und in einem Land richten soll, in dem in den Köpfen der Menschen (Ausnahmen gibt es natürlich) beispielsweise Vergewaltigung als „Kavaliersdelikt“ betrachtet wird. In dieser Situation würde ich vermutlich zum „Amoklaufenden Richter“ oder mich ebenfalls einer Hilfsorganisation anschließen.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: „Bis wo wird die Mißachtung der Menschenrechte von den Vertretern der Menschenrechte aus Gründen der Menschenrechte geduldet?“ Ich persönlich weiß es nicht.
Hier wurde mal wieder dem Fernsehkonsumenten Ziele vorgegaukelt, die wir gar nicht haben können und dürfen. Und da kann man noch so viele „Rechtsberater“ hinschicken, man wird es sich anhören und sagen: Wir machen es so, wie wir es seit Jahrhunderten gewohnt sind, dies zeigt sich ja auch immer wieder in der Nichtnutzung von technischem Hilfsmaterial, das irgendwo verrottet!
Und das muss man akzeptieren, wenn es uns auch nicht einleuchten will. Aber schauen wir doch z. B. nur über den großen Teich, „begreifen“ wir, dass dort immer noch die Todesstrafe angewendet wird? Oder besser gefragt, was tun die Staaten, die dies ablehnen – nichts, weil es uns letztlich nichts angeht. Die Gedanken aber sind frei, im Handeln sind wir beschränkt!
Fernsehtipp für heute, 02.03.10, 22:15 Uhr, ZDF, 37 Grad:
http://37grad.zdf.de/ZDFde/inhalt/14/0,1872,1020910_idDispatch:9409686,00.html
Kein Schritt ohne Risiko
Als Soldat in Afghanistan
Für Heinz Sonnenstrahl (56) war alles anders geworden. „Nach meinem Einsatz 2006 in Afghanistan juckten mich weder eine kaputte Waschmaschine noch eine unaufgeräumte Küche. Das war mir einfach egal.“ Seine Lebenswirklichkeit hatte sich nach mehreren Monaten Einsatz in Kunduz verschoben. „Als er zurück war, redete er nicht mehr. Ich wusste gar nicht was mit ihm los war“, beschreibt seine Lebensgefährtin Monika von Heeg (47) die damalige Situation, die sie mit vielen anderen Soldatenfrauen teilt.
Heinz Sonnenstrahl hat Eigeninitiative gezeigt: Der Hauptmann im Sanitätsdienst a.D. hat schon vor sechs Jahren eine Selbsthilfegruppe namens Scarabaeus gegründet. Das Ziel: Durch niedrigschwellige Angebote wie Arbeitsvermittlung, Hilfe bei Behördengängen traumatisierten Soldaten zu helfen, den Weg zurück ins Leben zu finden. „Denn wenn Zeitsoldaten aus der Bundeswehr entlassen werden, kümmert sich kaum einer um deren Probleme“, sagt Sonnenstrahl.
Nach offiziellen Angaben hat sich die Zahl der unter postraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) leidenden Soldaten im vergangenen Jahr verdoppelt. Experten der Bundeswehr gehen aber von deutlich mehr psychisch erkrankten Soldaten aus, da nur diejenigen erfasst werden, die auch bei der Bundeswehr selbst behandelt werden.
Rund 20 Prozent der Afghanistan-Rückkehrer, so die geschätzte Dunkelziffer, leiden unter der PTBS. Da aber die meisten die Anfangssymptome nicht ernst nehmen, bricht die psychische Erkrankung oft erst später aus. „Da reicht ein Geruch oder ein alltägliches Erlebnis, um die schrecklichen Bilder hochzuholen und die ehemaligen Soldaten in eine Lebenskrise zu stürzen“, sagt die Traumatherapeutin Tina Mannfeld. Sie arbeitet am Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg, zu ihren Patienten gehört Bernd Engler.
Der 49-jährige Oberstabsfeldwebel war in der Luftüberwachung in Kunduz eingesetzt. Immer wieder war er wie seine Kameraden Raketenangriffen ausgesetzt. Als er zurück in seinen Dienst nach Deutschland versetzt wurde und das erste Mal wieder vor einem Radarschirm saß, war er nicht mehr fähig, professionell zu reagieren und konnte einfach nicht reden. Eine erste Therapie im Hamburger Bundeswehrkrankenhaus brachte nicht den gewünschten Erfolg.
Jetzt beginnt er eine zweite Therapie, ebenfalls in Hamburg. „Ich hoffe sehr, dass ich aus meinen Aggressionen raus komme“, sagt Engler. Denn nicht nur die Ehe, sondern auch sein berufliches Leben droht sonst in die Brüche zu gehen. Wie bei vielen Rückkehrern aus Afghanistan. Englers Frau Margit steht trotz allem zu ihm. „Ich werde doch meinen Mann in so einer Situation nicht im Stich lassen!“
Auf seine Frau kann sich auch Tino Käßner verlassen. Vor fünf Jahren verlor der jetzt 34-jährige Soldat in Kabul durch ein Selbstmordattentat ein Bein. Heute ist er Deutscher Meister im Behindertenradrennen und bereitet sich auf die Paralympics vor. Seine Frau Antje war und ist immer für ihn da. Jetzt erst, nach fünf Jahren, denkt sie darüber nach, „selber mal Luft zu holen“. Tino Käßner ist sich seiner Verantwortung bewusst. Als Botschafter engagiert er sich für die neu gegründete „Deutsche Kriegsopferfürsorge“, die kriegsversehrten Soldaten zur Seite steht.
Die „37 Grad“-Reportage „Kein Schritt ohne Risiko“ beleuchtet das Leben nach der Rückkehr aus dem Krieg. Wie werden Soldaten mit ihren Erinnerungen fertig? Finden sie Gehör in einer Gesellschaft, die selbst seit mehr als 60 Jahren keinen Krieg mehr erlebt hat? Autor Klaus Balzer begleitet Heinz Sonnenstrahl bei seinem Engagement für traumatisierte Soldaten und zeigt die Belastungen, denen Sonnenstrahls Beziehung zu seiner Lebensgefährtin ausgesetzt ist.
Er ist zu Hause bei Bernd Engler und begleitet ihn in seiner zweiten Therapie. Er erinnert sich mit Tino Käßner an den Anschlag in Kabul. „37 Grad“ zeigt aktuelle Bilder aus dem Feldlager der Bundeswehr in Kunduz und schildert, wie Soldaten im Einsatz mit dem täglichen Risiko und den seelischen und körperlichen Verletzungen leben.
Film von Klaus Balzer
Habe den Bericht leider nicht gesehen.
@pi: Welche Prioritäten wären das denn? Welches Recht sollen die Polizisten durchsetzen? Unter welchen Prinzipien soll eine afghanische Armee, die wir z.Zt. ausbilden, agieren? Nach welchem Recht sollen sich Unternehmen bilden? Nach welchem Recht sollen die Menschen in Afghanistan leben?
Eine Prioritätenliste aufzustellen, halte ich für schwierig, da sehr viele Bereiche miteinander zusammenhängen. Wenn wir Afghanistan als soliden Staat aufbauen wollen, ist eine anerkannte Rechtsstaatsordnung essentiell. Und die Justiz muss dafür sorgen, diese nach rechtsstaatlichen Prinzipien zu führen. Willkür als Gegenteil von Rechtsstaat wird dagegen zu unterschiedlichen Auslegungen und damit zu Konflikten führen.
Ist der REPORT online zu sehen?
Ich halte es für einen Fehler die traditionelle Rechtsprechung in AFG als Willkür zu bezeichnen. Wir müssen „the rule of law“ durchsetzen, d.h. Korruption bekämpfen. Solange ein einheitliches Recht verhanden ist, welches für alle gilt sehe ich kein Problem darin auch die Scharia in AFG durchzusetzen. Sie muss eben für alle gelten.
Ganz offensichtlich ist die Justiz in AFG mit der westlichen Rechtsprechung überfordert und nutzt lieber das alte Recht.
Worum keine Prioritätenliste aufstellen? An erster Stelle sollten Maßnahmen stehen, die Deutschland(den Westen) schützen. Danach sofort der Aufbau eines Staates, der verhindert, dass von seinem Territorium und Bevölkerung wieder eine Gefahr für uns ausgeht. Zum Schluss Maßnahmen, die das Leben in AFG allgemein verbessern aber keinen direkten Zusammenhang mit den ersten beiden Punkten haben.
Während der erste Punkt mit der Zerstörung der Ausbildungscamps relativ schnell ging muss man bei Punkt zwei schon genau arbeiten. Starke Sicherheitskräfte(die die Bevölkerung schützen) und Good governance(die der Bevölkerung dient), besonders Korruptionsbekämpfung, sind weit oben. Bildung, Gesundheit, Jobs und Infrastruktur gehören hier auch dazu.
Wir müssen uns einfach kleinere Ziele setzen, sonst sind wir dort noch ewig.
pi
„Ist der REPORT online zu sehen?“
Ist er, allerdings als Download im MPEG4-Format (scheinbar nur mit iTunes, Quicktime oder VLC-Player abspielbar, hab’s noch nicht probiert):
http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=4476350/168c2qk/index.html
http://www1.swr.de/podcast/xml/das-erste/report/report.xml
Hinweis zu meinem TV-Tipp vom 02.03.10, 37 Grad, „Kein Schritt ohne Risiko“, ZDF:
Sehen sollten diesen Beitrag unbedingt Soldaten und Reservisten – ob im Einsatz gewesen, aktuell vor Ort oder vielleicht noch vor sich – deren Familienangehörige, Kameraden und Vorgesetzte!
Wie sagte OStFw Engler: Wir sollten nicht nur mutige Soldaten im Einsatz sein, sondern auch nach unserer Rückkehr – und uns eingestehen, dass wir Hilfe brauchen und sie uns holen!
Hilfe erhält man u. a. bei Hauptmann a. D. Sonnenstrahl und seinem von ihm gegründeten Verein „Scarabaeus“ oder der „Deutschen Kriegsopferfürsorge“.
Wer es verpasst hat – hier bitte unbedingt noch einmal ansehen:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/985952/Kein-Schritt-ohne-Risiko